Experten zufolge reisten einst 45.000 Frauen und Männer nach Syrien, um sich der Terrormiliz Islamischer Staat anzuschließen. Nachdem der IS in dem Land besiegt wurde, kehren nun Viele in ihre Heimatländer zurück. Das Netzwerk oder das Milieu, in dem sich die Dschihadisten bewegten, bestehe aber noch, sagte der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze der NZZ am Sonntag. Insofern habe man jetzt eine sehr viel stärkere Gefährdungssituation. Expertinnen und Experten gingen davon aus, dass zehn Prozent der Rückkehrer gewaltbereit blieben. Für Europa bedeutet dies, dass etwa 1.000 Dschihadisten von ihrem terroristischem Tun nicht ablassen werden, wenn sie in einer passenden Umgebung sind“, warnt Schulze, der Direktor des Forums Islam und Naher Osten an der Universität Bern ist.
Starkes Unterstützermilieu in Deutschland
Anschläge wie in Sri Lanka könnten daher überall passieren, wo sich Rückkehrerinnen und Rückkehrer und islamische Gruppierungen träfen. Schulz weist vor diesem Hintergrund auf die Situation in Algerien hin: In das Land kehrten zwischen 1990 und 1991 Kämpfer aus Afghanistan zurück. Von ungefähr 2.000 blieben etwa 200 aktiv. Sie gründeten den Groupe islamique armé, der dann einen Bürgerkrieg auslöste. Es müsse in Europa daher nun höchster Wert darauf gelegt werden zu verhindern, dass sich die Rückkehrer und Rückkehrerinnen mit lokalen Gruppen verbinden könnten. Gelinge eine Distanzierung von einzelnen bekannten Gefährdern und ihrem Milieu, dürfte die Gefahr nicht mehr so groß sein, erklärt Schulze. In Deutschland, aber auch in Schweden, England, Frankreich und Belgien gebe es Unterstützermilieus, die beinahe unabhängig voneinander existieren. In diese könnten sich Gefährdende ohne weiteres einbetten.
Der Feind ist alles, was ich nicht bin“
Schulze weist zudem darauf hin, dass Dschihadisten und Dschihadistinnen für Terroranschläge nicht nach Ländern Ausschau hielten, in denen Muslime unterdrückt würden oder Christen lebten. Aus der Logik der Täter und Täterinnen heraus bestehe die einzig zwingende Handlungsweise darin, Gott für die Beleidigungen und die Schmach, die er durch die Menschheit erlitten habe, zu rächen. Dieser Gottesdienst müsse durchgeführt werden. „Der Feind ist nicht der Christ, nicht der Buddhist oder sonst jemand. Der Feind ist alles, was ich nicht bin“, betont der emeritierte Islamwissenschaftler. Die Gefährdung sei daher global, die Terroristen und Terroristinnen könnten auch auf Falkland zuschlagen, wenn sie dort die entsprechende Einbettung fänden. Das Prinzip sei: Solange ich nicht kämpfe, bin ich kein Muslim. Um mein Dasein als Muslim zu begründen, muss ich kämpfen, egal wo.“
Deutschlandfunk
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