Österreichs Obergrenze verschärft Streit in der Union

  21 Januar 2016    Gelesen: 784
Österreichs Obergrenze verschärft Streit in der Union
Angela Merkels Kritiker sehen sich durch Österreichs Ankündigung, Obergrenzen für Flüchtlinge einzuführen, bestätigt. Die SPD lehnt Grenzschließungen aber weiter ab.
Unionsinterne Kritiker von Kanzlerin Angela Merkels (CDU) Flüchtlingspolitik haben die Ankündigung Österreichs, Obergrenzen für Flüchtlinge einzuführen, als Signal für die deutsche Politik bewertet. "Ich begrüße die Vorgehensweise Österreichs", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), dem Kölner Stadt-Anzeiger. Sie sei ein "deutlicher Fingerzeig, dass auch wir nicht mehr so weiter machen können wie bisher". Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte, wenn Ende März die Zahl der Ankommenden wieder steige und es eine Entwicklung wie im vorigen Jahr gebe, werde Deutschland "seinen Kurs korrigieren müssen".

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte, das Signal aus Österreich sehr ernst zu nehmen. "Es ist jetzt eine echte Brücke, denn wenn Österreich eine solche Obergrenze beschließt, muss Deutschland auch eine solche Obergrenze beschließen", sagte er dem RTL Nachtjournal am Rande der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth. Es sei jetzt wichtig, die europäische Einigung zu erreichen und zwar dadurch, dass alle in Europa den gleichen Weg gehen. "Der heißt: Begrenzung der Zuwanderung mit einer Obergrenze", sagte Söder.

Merkel hatte die CSU-Forderung nach einem schnellen Kurswechsel und der Festlegung einer Obergrenze in Wildbad Kreuth erneut zurückgewiesen. "Ich glaube, das Miteinanderreden ist gerade in so herausfordernden Zeiten von allergrößter Bedeutung, selbst wenn man nicht in allen Fragen einer Meinung ist", sagte Merkel. Frühestens in der zweiten Februarhälfte werde sie eine "Zwischenbilanz" ziehen. Um die Flüchtlingskrise zu lösen, würden drei Ereignisse in den nächsten Tagen eine Rolle spiele: Da seien zunächst an diesem Freitag Regierungskonsultationen mit der Türkei, die nach ihrer Meinung eine Schlüsselrolle in der Flüchtlingsfrage hat. Danach folge am 4. Februar eine Geberkonferenz in London und dann Mitte Februar ein EU-Gipfel mit der Flüchtlingsfrage als zentrales Thema. Danach könne man "sehen, wo wir stehen", sagte Merkel.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer zeigte sich über Merkels Auftritt enttäuscht. "Es gab keine Spur des Entgegenkommens. Wir gehen politisch auf schwierige Wochen und Monate zu." Er schloss jedoch aus, dass die CSU die Koalition aufkündigen werde. Die CSU wolle weiterhin "in die CDU hineinwirken", sagte Seehofer den ARD Tagesthemen.

Er gibt Merkels Bemühen, eine europäische Lösung für die Verteilung von Flüchtlingen zu finden, kurzfristig keine Chance: "Wir glauben nicht daran, dass innerhalb der nächsten Zeit in Europa Lösungen gefunden werden. Deshalb müssen wir jetzt als Deutsche handeln." An den deutschen Grenzen müsse es wirksame Kontrollen geben. "Wir wollen die Binnengrenzkontrollen so lange, bis in Europa der Schutz der Außengrenzen funktioniert." Darauf werde die CSU mit Nachdruck hinarbeiten, sagte Seehofer.

Die Regierungskoalition in Österreich und die Ministerpräsidenten des Landes hatten sich am Mittwoch darauf geeinigt, bis Mitte 2019 nur noch höchstens insgesamt 127.500 Asylbewerber nach Österreich einreisen zu lassen. Für das laufende Jahr sind 37.500 Flüchtlinge vorgesehen. Das wären rund 50.000 weniger als 2015. Was geschehen soll, wenn die Obergrenze überschritten wird, ließ die österreichische Regierung offen.
Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos gegen Merkels Kurs gestellt. "Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass wir zu einer europäischen Lösung kommen, bei der wir Flüchtlinge von den griechischen Inseln oder Italien auf alle Mitgliedstaaten verteilen können", sagte er.

SPD plädiert für offene Binnengrenzen

Grenzschließungen lehnt Gabriels Partei jedoch weiterhin ab. "Europas starke Wirtschaft hängt von offenen Grenzen ab", sagte SPD-Parteivize Ralf Stegner. Er warnte vor Scheinlösungen. Die CSU vermittele den falschen Eindruck, man könne einfach einen Schalter umlegen und den Flüchtlingsandrang begrenzen. Die von Österreich angekündigte Obergrenze sei aus seiner Sicht kein Vorbild für Deutschland. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte die Ankündigung Österreichs einen Hilferuf. Er mache klar, dass Deutschland, Schweden und Österreich die Flüchtlinge nicht alleine aufnehmen könnten. "Umso dringlicher ist es, endlich für sichere Außengrenzen zu sorgen", sagte Oppermann dem Kölner Stadt-Anzeiger. Das müsse bald passieren, "sonst zerbricht Europa".

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sieht die Kanzlerin nach dem Vorstoß Österreichs unter Zugzwang. Die Entscheidung zwinge die Bundeskanzlerin, "Farbe zu bekennen", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Frau Merkel muss uns nun erklären, warum Österreich eine solche Grenze einführen kann, Deutschland aber nicht. Das führt doch ihre sämtlichen Erklärungen ad absurdum."

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