Wenn man den venezolanischen Parlamentarier Américo De Grazia fragt, wer in seinem Bundessstaat Bolívar das Sagen hat, dann muss er nicht lange überlegen. "Die kolumbianische Linksguerilla ELN und die Hisbollah-Miliz", sagt er dann.
De Grazia vertritt den rohstoffreichen Bundesstaat in der Nationalversammlung in Caracas als Abgeordneter. Und er klagt schon lange klagt darüber, dass sich in seinem Staat im Süden nahe der Grenzen zu Kolumbien und Brasilien mit Einwilligung der Regierung gewalttätige Gruppen breitgemacht haben und dort unter anderem Gold und Diamanten abbauen.
Und wenn De Grazia mit dem SPIEGEL über die Präsenz der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah in Venezuela spricht, dann nennt er auch den Namen eines sehr wichtigen Mannes in Venezuela: Tareck El Aissami. Der 45-Jährige, der aus einer syrisch-libanesischen Familie stammt, ist einer der engsten Vertrauten von Machthaber Nicolás Maduro und derzeit Minister für Industrie und Nationale Produktion. Von Anfang 2017 bis Juni 2018 hatte er das Amt des Vize-Präsidenten inne und galt damals als möglicher Nachfolger Maduros. Dann begannen die USA, gegen El Aissami wegen angeblichen Drogenschmuggels zu ermitteln.
Am 8. März beschuldigte ein Bundesgericht in Manhattan den Minister, er nutze seine Machtposition, um ein internationales Drogenschmuggelnetz aufzubauen und die Rauschgiftrouten in die USA zu organisieren. Das US-Finanzministerium hatte El Aissami bereits vor zwei Jahren auf eine schwarze Liste gesetzt und sein Vermögen in den USA eingefroren.
Laut De Grazia hat El Aissami dem militärischen Ableger der libanesischen Hisbollah in Venezuela den Zugang ermöglicht. Und in Bolívar mischt die bewaffnete Gruppe im illegalen Abbau der Rohstoffe mit. Die Gewinne sacken die Milizionäre teils selber ein, teils helfen sie der Regierung, die wertvollen Metalle und Erze in aller Welt zu Geld zu machen. Wegen der verschärften US-Sanktionen sucht Maduro überall nach Devisen und plündert dafür auch die Rohstoffe des Landes.
De Grazias Vorwürfe decken sich mit einem Bericht der "New York Times", wonach gegen El Aissami nicht nur die US-Justiz ermittelt, sondern sogar der eigene venezolanische Geheimdienst. Der berüchtigte "Servicio Bolivariano de Inteligencia" (Sebin) hat El Aissami demnach jahrelang wegen seiner möglichen Verbindungen in die Unterwelt ausspioniert. Pikant daran ist, dass der Politiker während seiner Zeit als Vize-Präsident formell sogar Chef des Sebin war.
spiegel
Tags: