Europarat kritisiert deutsche Abschiebepraxis

  09 Mai 2019    Gelesen: 675
Europarat kritisiert deutsche Abschiebepraxis

Als im August 2018 ein Abschiebeflug in München startet, sind auch Mitglieder des Anti-Folter-Komitees des Europarats mit an Bord. In einem Bericht prangern sie nun Polizeigewalt sowie kurzfristige Ausweisungen von Migranten an.

Der Europarat hat Deutschland aufgefordert, bei der Abschiebung von Migranten auf "unverhältnismäßige und unangemessene" Gewaltanwendung zu verzichten. Methoden, die bei den Betroffenen ein Erstickungsgefühl auslösten oder ihnen starke Schmerzen zufügten, müssten untersagt werden, forderte das Anti-Folter-Komitee (CPT) des Europarats in einem Bericht. Zudem kritisierte das Gremium, dass Betroffene in Deutschland häufig zu kurzfristig über ihre Abschiebungen informiert würden.

In dem Dokument schildert das Komitee die Bedingungen, unter denen 46 Afghanen im August vergangenen Jahres mit einem Charterflugzeug von München in die afghanische Hauptstadt Kabul abgeschoben wurden. Zur Überwachung der Migranten waren rund hundert Polizisten an Bord. Auch drei Mitglieder des Anti-Folter-Komitees nahmen an dem Flug teil.

Zwar sei der Ablauf der Ausweisung generell gut vorbereitet und professionell gewesen, schreibt das Komitee. Allerdings seien zwei Männer mit Hand- und Fußschellen sowie Klebeband gefesselt und von mehreren Polizisten gewaltsam in die Maschine befördert worden, nachdem sie sich zur Wehr gesetzt hätten. Ein Migrant setzte demnach auch im Flugzeug seinen Widerstand fort - unter anderem, indem er seinen Kopf gegen den Sitz schlug.

Appell an deutschen Staat

Der Mann sei von sechs Polizisten festgehalten worden, heißt es in dem Bericht. Ein Beamter habe ihm einen Arm gegen den Hals gedrückt, was seine Atemfähigkeit eingeschränkt habe. Ein anderer Polizist habe dem am ganzen Körper mit Klebeband Gefesselten mehrmals für längere Zeit die Genitalien gequetscht.

Diese Methoden zielten "eindeutig darauf ab, durch Zufügung starker Schmerzen kooperatives Verhalten zu erreichen", kritisierten die Experten des Europarates. Ein solches Vorgehen sei "unverhältnismäßig und unangemessen". Deutschland müsse "sofort Maßnahmen ergreifen", um die Anwendung dieser Techniken zu unterbinden.

Das Bundesjustizministerium teilte in einer am gleichen Tag veröffentlichten Stellungnahme mit, die Bundespolizei sei von dieser Empfehlung in Kenntnis gesetzt worden und habe sie "aufgegriffen".

Zu späte Abschiebungs-Benachrichtigung?

Darüber hinaus kritisierte das CPT in seinem Bericht, dass deutsche Behörden die Betroffenen in Abschiebehaft erst spät oder in letzter Minute über ihre bevorstehende Abschiebung benachrichtigten. Es sei aber unerlässlich, dass den Menschen rechtzeitig mitgeteilt werde, dass sie Deutschland verlassen müssten, erklärte das CPT. Nur so könnten sich die Menschen psychisch mit der Situation auseinandersetzen.

Auch in Fällen, bei welchen die Betroffenen nicht in Haft waren, war die Benachrichtigung laut des Komitees nicht immer eine Woche vor dem Ausweisungsdatum erfolgt. Aus der Antwort des Bundesjustizministeriums auf den Report ging hervor, dass die Abschiebung in der Regel eine Woche vor dem Termin angekündigt werden soll, auch Betroffenen in Haft. Bayern vertrete jedoch die Auffassung, dass den Menschen in Abschiebehaft nicht das genaue Datum genannt werden müsse. Da sie sich in Abschiebehaft befänden, seien sie dadurch über ihre anstehende Ausweisung bereits informiert, hieß es in der Antwort.

Das CPT besteht aus Experten des Europarats und hat seinen Sitz im französischen Straßburg. Es hat die Aufgabe, die Einhaltung der Europäischen Anti-Folter-Konvention in den 47 Mitgliedsstaaten des Europarats zu überwachen. Dazu besuchen Mitglieder des Komitees - Strafvollzugsexperten, Ärzte und Psychologen - in regelmäßig Einrichtungen, in denen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden. Die Berichte zu den Besuchen sind keine Ermittlungen gegen einen Staat.

Quelle: n-tv.de, cri/AFP/dpa


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