Trumps wunderbare neue Einwanderer-Welt

  17 Mai 2019    Gelesen: 879
Trumps wunderbare neue Einwanderer-Welt

Erstmals legt der US-Präsident ein eigenes Migrationskonzept vor: Wer künftig dauerhaft in den USA leben und arbeiten will, soll dafür hohe Ansprüche erfüllen. Unter anderem ist ein Wissenstest geplant.

Dieser Termin war ganz nach Donald Trumps Geschmack. Im Rosengarten schien die Sonne, vor ihm saßen republikanische Funktionäre auf Gartenstühlen und klatschten artig. Eine Militärband spielte "What a Wonderful World" - "Was für eine wunderbare Welt".

Alles sah so aus, als würde der Präsident eine Party schmeißen. Doch in Wahrheit versuchte Trump einen politischen Neustart: Nach den monatelangen Querelen um den Bau einer Mauer zu Mexiko legte er erstmals einen eigenen Plan zur Reform des amerikanischen Einwanderungssystems vor.

Das Konzept sei "groß und schön und wunderbar", schwärmte Trump mit dem ihm eigenen Understatement. Bald würden die Vereinigten Staaten nicht nur sichere Grenzen haben, sondern er wolle zugleich dafür sorgen, dass über ein "faires und transparentes" System "begabte, brillante" Einwanderer aus der ganzen Welt die Möglichkeit bekämen, in die USA einzuwandern.

Für die Vereinigten Staaten würde die Trump-Reform einen drastischen Systemwechsel darstellen. Im Kern geht es um drei Punkte:

  1. -Die begehrten Green Cards, also dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen, sollen bevorzugt an Bewerber ausgegeben werden, die "jung sind", "besondere Talente" haben und/oder eine hohe Qualifikation nachweisen können. Auch wer Geld in den USA investieren will, soll bevorzugt behandelt werden. Generell sollen Bewerber in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und keinesfalls den Sozialsystemen zur Last fallen.
  2. Der Familiennachzug, über den laut der Trump-Regierung bislang etwa 60 Prozent der Green Cards vergeben werden, soll stark eingeschränkt werden. Die sogenannte Green-Card-Lotterie, bei der Bewerber nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden, soll abgeschafft werden. Stattdessen will Trump ein Punktesystem einführen, mit dem Visabewerber gemäß ihrer Qualifikation oder Ausbildung bewertet werden. So soll laut Trump auch verhindert werden, dass gering qualifizierte Arbeitskräfte Amerikanern die Jobs wegnehmen.
  3. Außerdem müssen Bewerber am besten bereits Englisch können und einen Test bestehen, bei dem sie unter anderem Fragen zur amerikanischen Geschichte beantworten sollen. Angedacht sind zum Beispiel Fragen zu historischen Reden und Schriften der Präsidenten George Washington und Thomas Jefferson.

Ausgearbeitet wurde das Konzept von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der eher als Liberaler gilt. Es ist der offenkundige Versuch des Trump-Clans, beim heiklen Thema Einwanderung endlich wieder in die Offensive zu kommen. Die nationalistische Anti-Ausländer-Rhetorik des Präsidenten soll um ein konstruktiv und freundlich wirkendes Element ergänzt werden.

Im Weißen Haus sehen sie sich offenbar zum Handeln gezwungen. Denn die harte Linie gegenüber Migranten kommt längst nicht überall gut an. Führende Unternehmen der USA verlangen von der Regierung eine Reform des komplexen, teils konfusen Systems zur Visavergabe. Sie beklagen, dass sie nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland bekommen. Statt ständig über die Mauer zu reden, solle Trump hier endlich etwas unternehmen, lautet eine Kritik. Als Vorbild wird häufig das Nachbarland Kanada genannt, das bereits seit Jahren die Zuwanderung über ein Punktesystem steuert.

Die Vorstellung des neuen Plans hat aber wohl auch noch einen anderen Hintergrund: In Bundesstaaten mit einer wachsenden Zahl von Einwanderern wie Arizona oder Florida geraten Trumps Republikaner mehr und mehr in die Defensive, Trump könnte beide Staaten bei der nächsten Präsidentenwahl an die Demokratenverlieren. Um das zu verhindern, will er nun mit seinem neuen Konzept offenbar klarstellen, dass er nicht generell gegen Einwanderung ist. Trump gibt sich aus taktischen Gründen einen weicheren Anstrich - zumindest bis zum nächsten Ausfall gegen Migranten.Ob es hilft? So oder so gilt es als eher unwahrscheinlich, dass Trump seinen Plan bald wird umsetzen können. Das gesamte Konzept wirkt eher wie ein hastig entworfener PR-Stunt. Journalisten erhielten bei Trumps Auftritt lediglich eine dünne fünfseitige Power-Point-Präsentation, die so aussah, als hätte sie am gleichen Vormittag ein Praktikant zusammengebaut. Ein ernst gemeintes Gesetzespaket sieht jedenfalls anders aus.

spiegel


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