Warum Donald Trump den Brexit will

  27 Mai 2019    Gelesen: 916
Warum Donald Trump den Brexit will

Donald Trump will den Brexit - und trifft bei seinem Staatsbesuch in Großbritannien auf eine Premierministerin, die exakt daran zerbrach. US-Neoliberale und Brexiteers träumen von einer deregulierten Wirtschaftsbrücke über den Atlantik. Ohne die Zwangsjacke EU.

In Washington sitzt ein Brite, der sich das Brexit-Debakel in völliger Ruhe ansieht. Die halbe Welt mag mit dem Kopf schütteln über das Chaos in London, doch er nickt zustimmend.

Nile Gardiner, einst Berater von Premierministerin Margaret Thatcher und seit Jahren bei der erzkonservativen Denkfabrik Heritage Foundation der neoliberale Kopf der Brexit-Bewegung in den USA, mag in diesen Tagen förmlich Häkchen setzen, hinter all den Dingen, die Europäer nicht so recht verstehen wollen.

Brexit: Trump hat Grund zur Genugtuung

Wenn US-Präsident Donald Trump in gut einer Woche zum Staatsbesuch auf die Insel reist, hat er viel Grund zur Genugtuung. Der Austritt Großbritanniens aus der EU läuft nach seinem Geschmack. Und die Europawahlen, bei denen die Brexiteers offenbar weit vorne liegen, werden das Bild wohl abrunden.

Das zur Schau getragene Mitleid mit der scheidenden Premierministerin May nehmen ihm nur wenige ab. In Washington ist klar: Trump will Ex-Außenminister Boris Johnson, der als Favorit für die Nachfolge Mays gilt, als populistischen Partner in der Special Relationship - dem besonderen Verhältnis zwischen einstigem Mutterland und Ex-Kolonie.

Boris Johnson soll Briten aus der EU führen - ohne Deal

Der Weg ist frei für das Szenario, das Nile Gardiner schon entworfen hatte, als seine Landsleute zu Hause noch nicht einmal abgestimmt hatten.

Ein Szenario, das im Nationalen Interesse der Vereinigten Staaten sei und für das das Weiße Haus seine hundertprozentige Rückendeckung gegeben habe, wie er betont: Boris Johnson, der Rechtsaußen der britischen Konservativen, soll Großbritannien als Premierminister aus der EU führen - und zwar laut Gardiners Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne jeden Deal.

Das freie Spiel der transatlantischen Märkte soll durch nichts und niemanden eingeengt werden. Keine Zollunion, kein Binnenmarkt, kein Backstop und kein Euro. Dafür transatlantischer Freihandel ohne Zölle, mit den zwei mächtigsten Finanzzentren der Welt - Londons City und New Yorks Wall Street - als Schlagadern.

Die Trump-Regierung tut viel, um einen No-Deal-Brexit zu unterstützen, sagt Gardiner. "Es gibt sehr viel Unterstützung im Weißen Haus von Trump." Und sie tue nichts, um das Europäische Projekt, die weitere europäische Integration, zu fördern. "Das passt in die Ideologie dieser Administration", sagt er.

Trump setzt auf nationale Souveränität, nicht auf multinationale Organisationen. "Der Fokus liegt sehr auf der Arbeit mit Nationalstaaten, manchmal unter Umgehung der europäischen Institutionen", sagt Gardiner.

Brexit: Trump hört auf konservative Denkfabrik

Die Heritage Foundation, einen Steinwurf entfernt vom Kapitol in Washington beheimatet, gilt seit langem als Wegbereiter stramm konservativer Politstrategien der US-Republikaner. Trumps Sicherheitsberater John Bolton, ein außenpolitischer Hardliner, ist etwa ein gerngesehener Gast.

Die Stiftung, unter anderem von den einflussreichen Milliardären Charles und David Koch finanziell unterstützt, soll schon beim Forcieren des guten Verhältnisses von Margaret Thatcher und Ronald Reagan ihre Finger im Spiel gehabt haben.

Trump hält sich gerne an die Ideen aus der Denkfabrik. 64 Prozent ihrer zu Beginn seiner Amtszeit wie eine Blaupause für ein Regierungsprogramm geschriebenen Vorgaben, sagt die Stiftung selbst voller Stolz, habe Trump schon im ersten Jahr umgesetzt.

Der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen gehört ebenso dazu wie der Rückzug von der UN-Organisation Unesco und die Freigabe von Naturschutzgebieten für Rohstoffbohrungen.

Auch beim Brexit folgt Trump dem Hirn des amerikanischen Konservatismus - in diesem Fall besonders Nile Gardiner, dem Chef des Margaret Thatcher Centers for Freedom bei der Stiftung.

Dessen Credo: "Es ist besser außerhalb der Zwangsjacke zu sein als drinnen." Die EU reguliere viel zu viel. Die Londoner City werde nach dem Brexit boomen, zu einem Magneten für ausländische Investoren werden.

"Briten dürfen nicht in Zollunion bleiben"

Schon jetzt umfasse die Beziehung zwischen den USA und Großbritannien das größte bilaterale Handelsvolumen für Dienstleistungen auf der Welt. Das soll noch größer werden.

Dass dann ausgerechnet jener Finanzzentrale die Zügel abgenommen würden, deren Auswüchse vor zehn Jahren maßgeblich zur weltweiten Finanzkrise beigetragen hatten - geschenkt.

Es dürfe nur nicht passieren, dass Großbritannien innerhalb der europäischen Zollunion bleibe. "Wenn Großbritannien außerhalb der Zollunion ist, dann kann es die EU dramatisch bei den Steuersätzen unterbieten", sagt Gardiner.

Der Gedanke in London sei - zumindest bei denjenigen, die Großbritannien in die Brexit-Ära führen werden -, eine Niedrigsteuer-Umgebung zu kreieren mit dem Ziel, noch mehr Investments anzulocken.

Die amerikanischen Investoren, die fünf Billionen Dollar an Anlagewerten im Königreich liegen haben, würden jubilieren. Und US-Lieferanten könnten dann ungehindert Autos und Agrarprodukte gen England schicken.

Die EU will nach Einschätzung Gardiners verhindern, dass die Briten beim Brexit die Zollunion verlassen. Deswegen schiebe Brüssel das Nordirland-Problem vor. Ein neuer Premierminister werde das nachzuverhandeln versuchen.

Wenn die EU dazu nicht bereit sei, sei der No-Deal mit einem Premier, der womöglich Boris Johnson heißt und dem Weißen Haus praktisch perfekt ins Konzept passt, das wahrscheinlichste Szenario.

Nile Gardiner hat mit seinen Prognosen im Brexit-Geschehen bisher nicht so weit daneben gelegen. Gut möglich, dass er bald ein weiteres Häkchen setzt. © dpa

 

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