Forscher fordern stärkeres Augenmerk auf rechtsextremen Terror

  18 Juni 2019    Gelesen: 708
Forscher fordern stärkeres Augenmerk auf rechtsextremen Terror

Wie gut vernetzt ist die rechte Szene? Wie gut kennen die Sicherheitsbehörden die rechtsextremen Strukturen in Deutschland? Diese Fragen wirft der Mordfall Lübcke auf. Extremismusforscher suchen nach Antworten.

Der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, Quent, sagte im Deutschlandfunk, obwohl sich die Situation seit Bekanntwerden der Attentate durch den NSU drastisch verschlimmert habe, werde rechtsextremistischer Terror in der Öffentlichkeit nicht ausreichend beachtet. Auch die Sicherheitsbehörden auf Landesebene und in den Kommunen hätten sich nicht nicht auf die neue Situation eingestellt.

Mehr Prävention und Repression

Quent zufolge bedarf es vor allem stärkerer politischer Anstrengungen sowohl in Ost- wie in Westdeutschland und zwar auf den Ebenen der Prävention als auch bei der Repression. Die Handlungsspielräume von bekannten Neonazis müssten erheblich eingeschränkt werden, so dass diese zum Beispiel nicht an Waffen kommen könnten. 

Der Forscher kritisierte konkret, dass zum Beispiel die Organisation Combat 18immer noch nicht verboten sei, obwohl die Untergrundgruppe bekanntermaßen Schießtrainings abhalte, zum Teil sogar im Ausland. Mit Blick auf die Ermittlungen nach Straftaten verlangte Quent, dass die Möglichkeit eines rechtsextremistischen, staatsfeindlichen Motives immer in Erwägung gezogen werden müsse.

Auflösung fester Strukturen

Der Leiter des Demokratiezentrums der Universität Marburg, Becker, weist darauf hin, dass sich die Strukturen der rechtsextremen Szene verändert hätten. Die klassische Kameradschaft gebe es immer weniger, sichtbar würden nur noch die NPD und die Identitäre Bewegung. Becker erklärte: „Das hat damit zu tun, dass es dieser Organisationsformen nicht mehr bedarf.“ Statt lokaler Vernetzung erlebe man eine hohe Mobilität zu Veranstaltungen mit rechten Anknüpfungspunkten. So komme es zu skurrilen Mischungen, beispielsweise mit der Kampfsportbewegung, mit den Gelbwesten oder der Hooliganszene. 

Becker warnte vor diesem Hintergrund, selbst wenn es sich bei dem Täter im Fall Lübcke um einen Einzeltäter handeln sollte, dürfe man nicht davon ausgehen, dass er völlig isoliert von anderen Personen mit rechtsextremer Einstellung sei.

Erhöhte Terrorgefahr aus Frust

Auch die Forschungsstelle für Antisemitismus und Rechtsextremismus des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam verweist auf den Einfluss anderer rechter Gruppen auf sogenannte Einzeltäter. Die Feindbilder seien markiert, sagte der Leiter der Forschungsstelle Botsch dem "Tagesspiegel„. Mitmarkiert hätten die AfD und Pegida: „All diese Kräfte, die sich offiziell von Gewalt distanzierten, haben sehr deutlich zur Hetze beigetragen“. 

Der Experte warnt gar vor einer erhöhten Terrorgefahr. Als Grund dafür nannte er Frust in der rechten Szene – unter anderem durch die rückläufige Aufmerksamkeit für Proteste wie bei Pegida. Auch habe der propagierte Sturz von Bundeskanzlerin Merkel nicht funkioniert. Bortsch warnt, dieser Frust könne nun einige Zellen erneut mobilisieren und diese weiter radikalisieren. „Die nächsten zwölf bis 18 Monate werden besonders gefährlich.“


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