Mexikos Reaktion auf Massaker in USA

  06 Auqust 2019    Gelesen: 866
  Mexikos Reaktion auf Massaker in USA

Die Regierung in Mexiko verurteilt das Massaker von El Paso, doch der Ton bleibt erstaunlich diplomatisch. Mehr noch als weitere Anschläge fürchtet das Land die Abhängigkeit vom großen Nachbarn.

Am Montag ist die Zahl der Todesopfer noch einmal gestiegen. Mindestens 22 Menschen seien bei dem Massaker in El Paso getötet worden, teilte die Polizei mit. Zwei weitere Personen, die bei der Attacke verletzt worden waren, seien ihren Verletzungen erlegen.

Details nannten die Behörden nicht, etwa, ob es sich um mexikanische Staatsangehörige handelt - sieben sind bisher unter den Opfern. Schon jetzt betrachtet Mexiko den Massenmord in Texas als "Terrorismus gegen die mexikoamerikanische Gemeinschaft" und erwägt eine "internationale Anklage" gegen den Todesschützen. Die Staatsanwaltschaft werde prüfen, ob es eine juristische Grundlage gebe, um die Auslieferung des Täters zu beantragen, sagte Außenminister Marcelo Ebrard am Sonntag - es wäre "die erste Forderung dieser Art in der Geschichte".

Seine Ankündigung klingt pompös, doch die Eröffnung eines Verfahrens verfolge vor allem ein praktisches Ziel, so Ebrard: Sie "erlaube, dass Mexiko Zugang zu Informationen erhalte, die aus den Untersuchungen in den USA resultieren". So lasse sich herausfinden, ob es weitere "potenzielle Beteiligte" gebe, die das Leben der Mexikaner in den USA bedrohten. Mexikos Regierung sorgt sich offenbar, dass das Massaker von El Paso der Auftakt zu einer Serie von Attentaten gegen Lateinamerikaner in den USA sein könnte.

Mit Kritik an US-Präsident Donald Trump, der die Latinos oft mit rassistischen Sprüchen verunglimpft hat, hielten sich Ebrard und Mexikos linkspopulistischer Präsident Andrés Manuel López Obrador dagegen zurück. "Sie vergessen den Diskurs des antimexikanischen Hasses und seinen wichtigsten Verkünder", kritisierte der ehemalige mexikanische Außenminister Jorge G. Castañeda in seiner Kolumne in der Zeitung "El Financiero".

López Obrador bleibt damit der Linie treu, die er bereits im Wahlkampf und während der Migrationskrise praktizierte: Er vermeidet jegliche direkte Konfrontation mit Trump, auch wenn er dafür im eigenen Land kritisiert wird. Es ist seine Überzeugung, dass Mexiko zu abhängig von den USA sei, es könne im Konflikt mit dem mächtigen Nachbarn nicht gewinnen. Nur an den lockeren Waffengesetzen in den USA übte er Kritik: Das Attentat solle zu "einer Reflexion" anregen, ob der Waffenverkauf nicht stärker kontrolliert werden sollte.

80 Prozent der Einwohner von El Paso sind mexikanischer Abstammung

Mexiko wolle "Umarmungen, keine Schießereien", sagte López Obrador am Sonntag. "Uns einen viele historische Bande", erläuterte er während seiner morgendlichen Pressekonferenz am Montag. Die Grenzorte El Paso und Ciudad Juárez seien "Bruderstädte", Mexikaner und US-Amerikaner würden seit Jahrhunderten zusammenleben: "Wir sind keine fernen Nachbarn".

López Obrador spielte damit auf den Titel eines bekannten Buchs des US-amerikanischen Journalisten Alan Riding aus den Achtzigerjahren an. Riding schrieb, dass die Beziehung zwischen Mexiko und den USA von tiefem Unverständnis geprägt sei.

Dieses Unverständnis sei unter Trump bei vielen US-Amerikanern in tiefen Hass umgeschlagen, glaubt der mexikanische Historiker Lorenzo Meyer: "Trump ist Rassist", sagte Meyer am Montagmorgen im Radioprogramm der prominenten mexikanischen Journalistin Carmen Aristegui. "Er hat den Hass auf die Mexikaner angeheizt".

Dieser Hass, den der Todesschütze von El Paso in seinem Internet-Manifest zum Ausdruck gebracht hat, habe historische Wurzeln, so Meyer: "Der Rassismus hat die Kolonisierung Amerikas durch die Europäer geprägt". Anders als die europäischen Einwanderer in den USA hätten die mexikanischen Migranten nie ihre Verbindungen in die Heimat gekappt. "Sie sprechen weiter Spanisch und vertreten ihre eigenen Werte. Mexiko liegt schließlich nebenan."

Rechtsextreme US-Amerikaner glaubten deshalb, dass sie durch die Migration der Hispanics "ihre Identität verlieren", so Meyer. Das sei "nicht nur ein Problem für Psychiater und Politiker", sondern betreffe "alle gesellschaftlichen Schichten in den USA".

Hinzu kommt, dass Mexiko wegen des Drogenhandels und der überbordenden Gewalt in den vergangenen Jahren in den USA zu einem dystopischen Gegenbild zur angeblich heilen Welt in den USA geworden ist. Vor allem El Pasos mexikanische Schwesterstadt Ciudad Juárez wurde zu einem Sinnbild als Hochburg von "Bad Hombres", wie Trump pauschal die Mexikaner im Wahlkampf verunglimpfte. Eine rätselhafte Serie von Frauenmorden und die blutigen Kämpfe der Drogenkartelle inspirierten Filme, Bücher und Fernsehserien, sie trugen zu diesem Image bei.

spiegel


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