Die Festnahme der beiden Journalisten im November hatte in der Türkei und anderen Ländern große Empörung ausgelöst. Dündar ist der Chefredakteur der regierungskritischen Tageszeitung „Cumhuriyet“ und Gül der Leiter ihres Hauptstadtbüros in Ankara. Die beiden Journalisten, die in Untersuchungshaft auf ihren Prozess warten, sollen mit Berichten über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an die Terror-Miliz IS in Syrien Staatsgeheimnisse verraten haben.
Zudem hätten Dündar und Gül die Ende 2013 aufgetauchten Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung unterstützt und damit bei einem Umsturzversuch geholfen, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Präsident Recep Tayyip Erdogan betrachtet die Korruptionsvorwürfe als Teil einer Verschwörung der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gegen die Regierung, der ein Erzrivale des Staatschefs ist.
Erdogan hatte öffentlich gedroht, Dündar werde für seine Berichte „einen hohen Preis“ bezahlen, und persönlich Strafanzeige gegen den Journalisten erstattet. Artikel der beiden Beschuldigten werden in der 473-seitigen Anklageschrift als Beweismittel herangezogen, wie die regierungsnahe Zeitung „Sabah“ berichtete. Erdogan und Geheimdienstchef Hakan Fidan werden demnach als Kläger genannt.
Die Staatsanwaltschaft forderte laut Dogan, die beiden Journalisten zweimal zu lebenslanger Haft sowie zu 30 Jahren Haft zu verurteilen. Eine der lebenslangen Haftstrafen soll demnach mit verschärftem Vollzug erfolgen – die härteste Strafe in der Türkei, die sonst nur bei Gewaltverbrechen wie Mord verhängt wird.
Der Europarat und mehrere internationale Journalistenvereinigungen kritisierten die Inhaftierungen in dem EU-Bewerberland. Dündar warf der EU vor, die Drangsalierung der Medien in der Türkei aus Rücksicht auf die erhoffte Kooperation der Türkei in der Flüchtlingskrise zu ignorieren.
EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn zeigt sich am Mittwoch „schockiert“ über die Forderung der Staatsanwaltschaft. Gleichheit vor dem Gesetz und Verhältnismäßigkeit seien „ein Muss“, erklärte er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die Türkei müsse während der Beitrittsverhandlungen mit der EU die „uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte“ garantieren.
Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen warf den Staatsanwälten „Grausamkeit“ vor. Die Türkei-Vertreterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Emma Sinclair Webb, sagte, dass Dündar und Gül als Journalisten „nur ihren Job gemacht“ hätten. Türkische Politiker, vor allem Präsident Erdogan, hätten in den vergangenen Jahren aber bewusst ein „Klima der Angst“ geschaffen und ihre Kritiker und Gegner „verteufelt“.
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