Grüne Scheinheiligkeit – Grüne Politikerin wird Chefin eines Energie-Lobby-Verbandes

  15 Auqust 2019    Gelesen: 729
  Grüne Scheinheiligkeit – Grüne Politikerin wird Chefin eines Energie-Lobby-Verbandes

Die Obfrau von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestags-Ausschuss für Wirtschaft und Energie, Kerstin Andreae, wird neue Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW. Zur gleichen Zeit fordert Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt Karenzzeiten für den Wechsel von Ministerin in die Wirtschaft.

Kerstin Andreae war bislang die so genannte Obfrau der Grünen im Wirtschaftsausschuss. In dieser Funktion hat sie zwangsläufig sehr gute Kontakte zu Unternehmen und Wirtschaftsverbänden und vertiefte Einblicke in Lageeinschätzungen für Märkte, Branchen und Unternehmen, in Zukunftsprojektionen, Strategien usw. Umgekehrt hat sie naheliegender Weise auch sehr gute Kontakte zu Fachpolitikern in Bund und Ländern. Kurz gesagt, sich der Mitarbeit einer solchen aktiven Politikerin zu versichern, ist eine kluge Entscheidung. Also, natürlich nur aus der Sicht des Verbandes, der Andreae verpflichtete.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dem Kerstin Andreae ab sofort als Hauptgeschäftsführerin vorstehen soll, ist nicht irgendwer. Der BDEW entstand 2007 aus dem Zusammenschluss von vier Lobbyorganisationen, die seinerzeit schon jede für sich sehr einflussreich waren: der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), der Verband der Verbundunternehmen und Regionalen Energieversorger in Deutschland (VRE), der Verband der Netzbetreiber (VDN) und der Verband der Elektrizitätswirtschaft VDEW.

Grünen-Politikerin Andreae wird Lobbyistin für Kohle- und Atomstrom-Konzerne
Um zu verstehen, dass die Personalie Andreae eben keine x-beliebige ist, sondern in höchstem Maße erklärungsbedürftig und befremdlich, genügt die Eigendarstellung des BDEW:

„Die Mitgliedsunternehmen des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft stehen für jeweils rund 90 Prozent des Strom- und des Erdgasabsatzes in Deutschland. Darüber hinaus für gut 60 Prozent des Nah- und Fernwärmeabsatzes, 80 Prozent der Trinkwasser-Förderung sowie rund ein Drittel der Abwasserentsorgung in Deutschland. Außerdem vereinen wir 95 Prozent der Strom- und Gasnetzlänge sowie 78 Prozent der Wärme-bzw. Kältenetzlänge.“

Und was diese Marktmacht sich von der bündnisgrünen Kerstin Andreae verspricht, wird auch in der Eigendarstellung benannt:

„Wir formulieren die Anliegen unserer kommunalen und privaten Mitgliedsunternehmen gegenüber Politik, Fachwelt, Medien und Öffentlichkeit.“

Kerstin Andreae wird also künftig auch die Anliegen von BDEW-Mitgliedsunternehmen wie den Kohle- und Atomstromproduzenten RWE oder Vattenfall vertreten. Einen Interessen- oder gar Glaubwürdigkeitskonflikt sehen die Grünen dadurch nicht gegeben, wie sich die bisherige Chefin von Frau Andreae, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt gegenüber der „Tageszeitung“ (TAZ) kundtat.

Aus Göring-Eckardt sprudelten dort so beeindruckende Entschuldigungssätze wie: „Beim BDEW muss man nicht die Sorge haben, dass ihm Kontakte fehlen. Die haben sich für Kerstin entschieden, weil sie sich von ihr die richtige Zukunftsorientierung versprechen.“

Auch andere grüne Spitzenpolitiker hatten keine Skrupel Industrie-Lobbyisten zu werden
Nicht einmal die TAZ konnte über diesen schlechten Witz lachen. Zu den rund 1.800 Mitgliedsunternehmen, für die Frau Andreae zukünftig sprechen wird gehört auch die Stadtentwässerung Dresden GmbH. Dort wird sie eine alte Parteifreundin wiedertreffen, Gunda Röstel, ehemalige Bundesvorstandssprecherin der Grünen und seit 2004 Kaufmännische Geschäfsführerin der Firma, die zu 51 Prozent der Stadt Dresden gehört. Die anderen 49 Prozent gehören der Gelsenwasser AG. Dort hatte Röstel 2000 nahtlos als Prokuristin begonnen, nachdem sie kurz zuvor ihren Posten bei den Grünen aufgegeben hatte.

Auch andere grüne Spitzenpolitiker kannten bislang keine Skrupel, hochdotierte Posten bei Unternehmen anzunehmen, ohne lange Karenzzeiten zwischen ihrem Engagement in der Politik und der Wirtschaft einzuhalten. Eines der schillerndsten Beispiele ist der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Matthias Berninger. Als er 2007 seine politische Laufbahn vorerst beendete, wechselte er ohne Umschweife auf den Posten eines Lobbyisten für den US-Zuckerwaren-Multi Mars, obwohl Parteifreunde und Wähler der Partei davon Zahnschmerzen bekamen. Daraus wurde dann 2019 richtige Diabetes, als bekannt wurde, dass Berninger zum Bayer-Konzern wechselte, um dort den neugeschaffenen Vorstandsbereich „Öffentlichkeit und Nachhaltigkeit“ zu verantworten, was vor allem darin besteht, den Kauf des besonders in der grünen Klientel verhassten US-Gentechsaatgut-Konzerns Monsanto durch Bayern zu rechtfertigen und schönzureden.

Kerstin Andreae gewiefte Strippenzieherin für Vernetzung der Grünen mit der Industrie
Dass auch Kerstin Andreae kein Kind von Traurigkeit ist, wenn das große Geld ruft, demonstrierte sie, als sie maßgeblich mit daran arbeitete, zwei Lobbyorganisationen mitzugründen, die endlich einen Frieden zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der deutschen Wirtschaft  herstellen sollten. Zum einen kreierte sie im Oktober 2018 den Wirtschaftsbeirat der Bundestagsfraktion der Partei, deren Mitgliederliste keinen Vergleich zu ähnlichen Lobbyorganisationen anderer Parteien zu scheuen braucht. Kerstin Andreae wird in einem Artikel der „Wirtschaftswoche“ vom 19. Oktober 2018 als „Initiatorin“ für den „Wirtschaftsbeirat“ genannt und mit den unschuldigen Worten zitiert: „Wir wollen den Unternehmern zuhören, auch wenn wir nicht alles erhören werden.“

Die andere Vereinigung, die Wirtschaft und Grüne Partei miteinander verbandeln soll, nennt sich „Grüner Wirtschaftsdialog“ (GWD) und wurde im Dezember 2018 aus der Taufe gehoben, ebenfalls unter maßgeblicher Mitarbeit von Kerstin Andreae. Die als Verein organisierte Lobbyorganisation ist rechtlich unabhängig von der Partei, aber natürlich aufs Engste mit ihr vernetzt, weil die wichtigsten Funktionäre der Grünen Mitglied dieses Vereins sind, genauso wie viele Wirtschafts- und Industriekapitäne. Vorhaben des GWD sind „Strategiegespräche“, Foren, Konferenzen und natürlich „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“.

Dass in der Partei Bündnis90/Die Grünen ganz eigene Wertmaßstäbe herrschen, wenn es um einflussreiche Positionen in Lobbyvereinen geht, zeigte sich auch im Zusammenhang mit dem BDEW. Ursprünglich war für den Posten des Hauptgeschäftsführers dort der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) im Gespräch. Als das durchsickerte meldete sich die Fraktionschefin der Grünen im Landtag von Hannover, Anja Piel zu Wort und kritisierte die Pläne mit den Worten: „Es mag rechtlich formal korrekt, dass ein Umweltminister ohne Karenzzeit zum BDEW wechseln will. Es bleibt dennoch höchst problematisch. Das hat ein Geschmäckle.“

Als Katrin Göring-Eckardt von der TAZ gefragt wird, ob Kerstin Andreaes Bereitschaft, als eine der wichtigsten bündnisgrünen Wirtschaftspolitikerinnen ohne Karenzzeit für den BDEW zu arbeiten, kein Geschmäckle aufweise, durften die Leser eine Meisterleistung in bündnisgrüner Rechtfertigungslogik lesen, getreu dem Motto, meine Wertmaßstäbe, die ich an Dich anlege, gelten für mich nicht, und außerdem ist mir vollkommen egal, wie Du darüber denkst: „Die Debatte kann man führen. Meine Position ist: Es gibt nun mal einen Unterschied zwischen Exekutive und Legislative. Klar ist: Kerstins Entscheidung widerspricht weder der geltenden Rechtslage noch grüner Programmatik.“

Apropos nachlesen. Im Lukas-Evangelium der Bibel findet sich im Vers 12,1 der Satz: „Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das ist die Heuchelei.“

sputniknews


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