Es steht mal wieder ein Herbst der Entscheidung an für die notorisch zerstrittene schwarz-rote Koalition. In zwei Wochen wählen die Menschen in Sachsen und Brandenburg neue Landtage. CDU und SPD drohen empfindliche Klatschen - die Rechtspopulisten stehen möglicherweise vor historischen Erfolgen. Unklar ist es, welche Auswirkungen das auf die Statik der im Wackelmodus regierenden Koalition von Kanzlerin Angela Merkel haben wird. Und auf die Stimmung an der Parteibasis. Zumal die SPD bis Dezember entscheiden will, ob sie überhaupt an der Regierung bleibt - oder die Koalition doch vorzeitig verlässt.
Politische Erfolge sind in einer solch heiklen Lage dringend nötig. Wohl auch aus diesem Grund rauft sich der Koalitionsausschuss bei wichtigen Themen zum gemeinsamen Vorgehen zusammen. Die oft zerstrittenen Koalitionäre dürften so vor den wichtigen Wahlen im Osten ein Signal der Handlungsfähigkeit setzen wollen.
Einigung auf ein Wohn- und Mietenpaket
Fast schon im Eiltempo, nach nicht einmal einer Stunde, präsentieren Innenminister Horst Seehofer von der CSU und Justizministerin Christine Lambrecht von der SPD wohl auch aus diesem Kalkül heraus die Einigung auf ein Wohn- und Mietenpaket. Damit sollen Mieter und Immobilienkäufer entlastet und der Bau von mehr Wohnraum angekurbelt werden. Schaut her, liebe Wähler, soll das wohl heißen: Wir schaffen noch was.
Einen für das interne Klima in der Koalitionsspitze womöglich noch wichtigeren Beschluss teilt die Runde am späten Abend nach ihrer rund viereinhalbstündigen Sitzung mit: Die Bundesregierung will die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bestandsaufnahme und die Entscheidung, welche neuen Vorhaben vereinbart werden müssen, ausdrücklich gemeinsam bis spätestens Mitte Oktober vornehmen.
Damoklesschwert: Halbzeitbilanz
Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht. Denn koalitionskritische Kreise in der SPD sehen den Revisions-Passus im Koalitionsvertrag als möglichen Hebel, um aus der ungeliebten Regierung auszusteigen.
Zwar muss der SPD-Parteitag im Dezember, bei dem auch eine neue Parteispitze gewählt werden soll, die Halbzeitbilanz der Bundesregierung noch bewerten - er könnte sie auch ablehnen. Es dürfte allerdings dennoch von erheblichem Gewicht auch für die interne Diskussion bei den Sozialdemokraten sein, wenn deren Regierungsmitglieder eine positive Zwischenbilanz ziehen. Sie würden damit signalisieren: Es lohnt sich, Schwarz-Rot bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 fortzusetzen.
Ob die Ergebnisse vom Sonntagabend tatsächlich dazu beitragen, die fragile Lage der Koalition zu stabilisieren, ist offen. Zuletzt hatten die Spitzen von CDU und SPD teils wie durch den Wind gewirkt, nervös und flatterig.
Beispiel CDU: Unmittelbar vor dem Koalitionsausschuss muss CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ein neuerliches Kommunikationsdesaster verkraften. Den ganzen Samstag ist sie damit beschäftigt, das Echo eines Interviews mit der Funke-Mediengruppe einzufangen.
Die Journalisten hatten die CDU-Vorsitzende angesichts des mit Querschüssen nervenden Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen gefragt, ob sie über ein Ausschlussverfahren nachdenke. Als die Meldungen zu ihrer Antwort mit dem Tenor "Kramp-Karrenbauer bringt Ausschluss von Maaßen ins Spiel" in den Nachrichten laufen, sind Aufregung und Empörung vor allem unter den Unionswahlkämpfern in den Ostländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen groß.
Tatsächlich hatte AKK kein Ausschlussverfahren verlangt oder gar angekündigt. Doch wie in den ersten Monaten als Parteichefin, als sie mit ungeschickten Reaktionen auf die CDU-Kritik des Youtubers Rezo oder Äußerungen zur Meinungsfreiheit für Entrüstung gesorgt hatte, ist Kramp-Karrenbauer schon wieder in der Defensive.
Scholz will an die SPD-Spitze
Und die SPD? Nach Wochen gefühlter Lethargie ist das Bewerberkarussell für eine künftige SPD-Doppelspitze in Schwung gekommen. Doch auch hier gilt: Bis zum Parteitag im Dezember, der die Entscheidung über die neue SPD-Führung und wohl auch den Verbleib in der Koalition bringen soll, stehen noch Wochen der Unsicherheit und des internen Wahlkampfes an. Für die Lösung von Sachproblemen und eine stabile Regierung dürfte ein solcher Zustand Gift sein.
Immerhin gibt sich Finanzminister und SPD-Vize Olaf Scholz beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz am Sonntag gewohnt gelassen. Ungewöhnlich gefühlig wird der als eher nüchtern bekannte Norddeutsche, als er seine überraschende Kandidatur für den SPD-Vorsitz begründet. Er sei seit seinem 17. Lebensjahr Sozialdemokrat. "Ich spür' das tief in meinem Magen, was da gegenwärtig an Umfragewerten zu verzeichnen ist und möchte alles dazu beitragen, dass sich das ändert", sagt er.
Für den Fortbestand der Großen Koalition dürfte die Kandidatur von Scholz von besonderer Bedeutung sein: Bei nahezu allen anderen Bewerber-Duos ist eher davon auszugehen, dass mit ihnen der Ausstieg näherrücken würde.
CSU goes green
Auch für CSU-Chef Markus Söder hängt viel am Erfolg der GroKo, auch seine Partei sieht den Wahlen im Osten bang entgegen. Nur in Regierungsverantwortung im Bund kann die CSU ihren Sonderstatus in Bayern aufrecht erhalten. Dabei baut Söder vor, damit seine CSU nicht unvorbereitet in eine mögliche Neuwahl schlittert.
Seit Wochen biegt der CSU-Chef seine konservative Partei auf den grünen Pfad, gibt sich als Retter von Tierarten und Weltklima. So würde es für die CSU leichter, sich im Fall der Fälle einem Bündnis mit den seit Monaten starken Grünen zu öffnen - zumindest durch thematische Überschneidungen. Die nun vom Koalitionsausschuss vereinbarten zusätzlichen Sitzungstermine zum Klimathema dürften Söder nicht gefallen: Ihm geht die Diskussion zu langsam.
n-tv
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