2014, 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges, haben zwei schottische Autoren, Gerry Docherty und Jim McGregor, ein Buch über die Ursachen des Ersten Weltkrieges veröffentlicht, das wenige Monate später auch in deutscher Sprache herausgegeben wurde: «Verborgene Geschichte. Wie eine geheime Elite die Menschheit in den Ersten Weltkrieg stürzte». Dieses mehr als 400 Seiten umfassende Werk ist für jeden, der mehr über die Vorgeschichte des Krieges wissen möchte, sehr interessant. Es folgt nicht den Linien der Schulgeschichtsschreibung.
Aus heutiger Sicht fast noch interessanter sind die Schilderungen, wie die im Buch für die damalige Zeit als «geheime Elite» bezeichnete, von den beiden Autoren nun aber sehr genau benannte Gruppe von Personen vorgegangen ist, um ihre Ziele zu erreichen. Die Frage ist, ob wir es heute mit ähnlichen Mechanismen zu tun haben, nämlich dass die Bürgerinnen und Bürger, aber auch viele in verantwortlicher Position in Politik und Gesellschaft im Unklaren darüber gelassen werden, getäuscht und verwirrt darüber werden, was tatsächlich geplant ist. Und welche Rolle dabei skrupellose Kräfte mit ihren Weltanschauungen und Interessen im Hintergrund spielen. Dass es aber – im Kern – erneut darum geht, zielstrebig einen großen Krieg zu planen und vorzubereiten, dass die Gegenstimmen korrumpiert oder aber ins Abseits manövriert werden sollen und dass auch Deutschland Schritt für Schritt in diesen Krieg hineingezogen werden soll.
«Die USA sollten raus aus Europa» war der Titel eines Interviews, das die «Basler Zeitung» am 30. Juli 2019 veröffentlichte. Stephen Walt, Professor für Internationale Beziehungen an der Harvard Kennedy School der Harvard University, äußerte sich im Interview kritisch zur US-Außenpolitik der vergangenen 30 Jahre, einschließlich derjenigen des amtierenden Präsidenten, und forderte den Rückzug der US-Truppen aus Europa. Gleichzeitig sagte er: «Politisch und diplomatisch sollten wir uns weiterhin um eine enge Verbindung [mit Europa] bemühen.» Weiter: «Europa ist heute politisch stabil und wohlhabend, es kann sich selbst um seine Verteidigung kümmern. Die europäischen Staaten haben das viel zu lange nicht getan.» Schließlich: «Mit den Mitteln, die die USA in Europa einsparen würden, könnten sie sich vermehrt auf Asien konzentrieren – ein Prozess, der ja schon unter Obama begonnen hat.» … Eine wirkliche Friedensbotschaft?
Wenige Tage später, am 10. August, war in der gleichen Zeitung zu lesen, der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, habe damit «gedroht», US-Truppen aus Deutschland abzuziehen: «Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden.» Der US-Botschafter in Polen hatte sekundiert: «Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtungen von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die US-Truppen in Deutschland nach Polen kämen.» … Kann sich Deutschland nun freuen?
Interessant, was derselbe Artikel weiter unten berichtet. Da heißt es: «Allerdings dürfte das Pentagon bei seinen Analysen zu dem Ergebnis kommen, dass ein umfangreicher Abzug aus Deutschland vor allem für ein Land teuer würde – für die USA.» Die Begründung: «Das liegt vor allem an der Art der Einrichtungen, die das US-Militär in Deutschland unterhält. Dazu gehören eine Reihe von Hauptquartieren und Logistik-Stützpunkten, die weit über Deutschland hinaus Bedeutung für Einsätze und die Verteidigungsplanung der USA haben. So sitzen im Raum Stuttgart die beiden für Europa und Afrika zuständigen Regionalkommandos der US-Streitkräfte, in Böblingen zudem das Kommando der US-Marineinfanterie für Europa und Afrika. Der Stützpunkt Ramstein ist nicht nur einer der größten außerhalb der USA und Hauptquartier der US-Luftwaffe für Europa, sondern das wichtigste Nachschub-Drehkreuz für Einsätze im Nahen Osten, in Afghanistan und Afrika, bedeutend auch für die Steuerung von Drohneneisätzen dort.»
Die Zeitung informiert weiter über das in Deutschland gelegene größte US-Militärspitalaußerhalb der USA, das in Deutschland gelegene größte US-amerikanische Munitionsdepot außerhalb der USA und so weiter und so fort. Dann ist noch zu lesen: «Bis 2013 planen die USA, weitere 2 Milliarden Dollar allein in Stützpunkte in Rheinland-Pfalz zu investieren. Ramstein und Landstuhl sind schon für Milliarden Dollar umgebaut und modernisiert worden und sind auf kurze und mittlere Sicht nicht zu ersetzen. Ähnliches gilt für …» Dann heißt es auch noch: «Bis September 2020 sollen nach bisherigen Planungen des Pentagon 1500 weitere Soldaten der Armee dauerhaft in Deutschland stationiert werden.» Und am Ende des Artikels ist zu lesen: «All das, so ist zu vermuten, wird Botschafter Grenell geläufig sein. Doch weiß er ebenso gut um Mechanismen der Medien, die Reflexe der Politik, die Kunst der Provokation.» … Kann sich Deutschland wirklich ruhig zurücklehnen?
Karl-Heinz Kamp, Präsident der deutschen Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin, hatte sich in einem Gastbeitrag für die «Neue Zürcher Zeitung» vom 13. August 2019 schon eng an die Seite der US-Politik gestellt: «Neben den USA ist Deutschland das wirtschaftlich potenteste Land der Nato. Dennoch ist es nicht willens, der Bündnisverpflichtung nachzukommen und zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung auszugegeben. Immer wieder finden sich neue Ausreden. Dabei steht die Glaubwürdigkeit der Nato mit auf dem Spiel.» …
Kaum einer hat genauer hingeschaut, als sich die scheidende deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu ihrem Abschied von der Bundeswehr, zum «Großen Zapfenstreich», das Ende 1989 getextete Lied der deutschen Popgruppe Scorpions, «Wind of Change», gewünscht hat. Die Zeitung «Die Welt» schrieb am 16. August 2019: «Mit glänzenden Augen lauschte die ehemalige Ministerin dem Song.» Was kaum einer weiß: Der Liedtext beginnt in Moskau und spielt auf das sich damals abzeichnende Ende der Sowjetunion an. Im Zeitungsartikel folgen ein paar Aussagen der Popgruppe selbst, die ihr Lied als «Friedenslied» bezeichnet.
Aber mit dem Ende der Sowjetunion war auch der Übergang zu einer von den USA dominierten unipolaren Welt verbunden. «Das Ende der Geschichte» – und die Idee vom endgültigen Sieg der westlichen Welt. Eine Ära bislang nicht enden sollender, völkerrechtswidriger angelsächsischer und Nato-Kriege. Die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, so konnte man es in den neunziger Jahren aus prominenten Mündern hören, sollten keine weltpolitische Rolle mehr spielen, sollten US-Interessen dienstbar sein.
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