Schalke verflucht den Video-Assistenten

  26 Auqust 2019    Gelesen: 1186
Schalke verflucht den Video-Assistenten

Auch in dieser Saison gibt es Streit über das Thema Handspiel - obwohl die Regel reformiert wurde. Am Wochenende ärgern sich vor allem die Schalker. Der Paderborner Trainer trägt sich derweil mit einem Wutausbruch in die Bundesliga-Annalen ein.

Von den zahlreichen Regeländerungen, die zu Saisonbeginn in Kraft getreten sind, waren an die neue Handspielregel besonders viele Erwartungen geknüpft. Klarer, eindeutiger und berechenbarer sollte sie sein, von den Schiedsrichtern gleichmäßiger auszulegen und von den Video-Assistenten im Bedarfsfall besser zu überprüfen. Nicht mehr die – oft sehr schwierig zu beurteilende – Absicht steht nun im Mittelpunkt der Frage, wann ein Handspiel strafbar ist, sondern die einfacher festzustellende Armhaltung. Der Kriterienkatalog orientiert sich also stärker an messbaren Faktoren als vorher. Das klingt gut, und dennoch war von vornherein klar: Einen Graubereich und damit einen Ermessensspielraum würde es weiterhin geben, eine hitzige Diskussion über die Bewertung mancher Handspiele zwangsläufig ebenfalls. Trotz Video-Assistent.

Gleich am zweiten Bundesliga-Spieltag kam es zu solchen Debatten, vor allem beim Spiel des FC Schalke 04 gegen den FC Bayern München (0:3). Zweimal forderten die Gastgeber bei Schiedsrichter Marco Fritz vehement einen Strafstoß, nämlich nach den Handspielen von Benjamin Pavard in der 56. Minute und von Ivan Perišić sieben Minuten später. Beide Male konnte sich der Unparteiische jedoch nicht zu einem Pfiff durchringen, und sein Video-Assistent Bastian Dankert hielt das zumindest nicht für klar und offensichtlich falsch. Es kam deshalb zu keinem On-Field-Review, was den Schalker Trainer David Wagner ärgerte: "Ich bin auf die Erklärung gespannt, weil ich es gerne verstehen würde", sagte er nach der Partie.

Referee Fritz tat ihm den Gefallen via "Aktuelles Sportstudio". Unabsichtlich sei Pavards Handspiel gewesen, sagte er in der ZDF-Sendung. Matija Nastasić hatte dem Münchner Verteidiger die Kugel aus kurzer Distanz an den ausgestreckten Arm geköpft, Pavard befand sich dabei mit dem Rücken zum Ball, konnte ihn also nicht sehen. Lutz Michael Fröhlich, der sportliche Leiter der Bundesliga-Schiedsrichter, stützte Fritz‘ Entscheidung: Der Spieler habe sich in einer natürlichen Drehbewegung befunden und zudem keine klare Orientierung zum Ball gehabt, sagte er bei "Sport1". Deshalb könne man "schon dafür Verständnis haben, dass der Schiedsrichter diesen Vorgang am Ende als nicht strafbar einordnet".

Fröhlichs leise Kritik am Video-Assistenten

Anders liegt für ihn der Fall bei Perišić. Der Neuzugang des FC Bayern habe sich bei einem Freistoß für Schalke in Tornähe "schon deutlich zum Ball" orientiert und seinen Arm "etwas in dessen Richtung" geführt, so Fröhlich. Der Arm stand dabei unter Spannung, was gemeinhin ein Indiz dafür ist, dass der Ball bewusst abgelenkt oder aufgehalten werden soll. Nach Auffassung von Schiedsrichter Marco Fritz war er jedoch "nicht abgespreizt", sondern eng am Körper. Dennoch würde er in beiden Fällen nun "wahrscheinlich anders entscheiden", sagte der Referee dem ZDF nach dem Betrachten der Szenen. Er könne aber nachvollziehen, dass der Video-Assistent ihm jeweils kein Review empfahl, "weil es keine hundertprozentige Fehlentscheidung von mir war".

Lutz Michael Fröhlich fand derweil: "Am besten wäre es gewesen, bezogen auf die Überzeugungskraft und Außenwirkung, wenn sich der Schiedsrichter zu beiden Situationen selbst noch ein Bild gemacht hätte." Das war eine dezente Kritik an Video-Assistent Dankert, dessen Verzicht auf einen Eingriff zumindest bei Perišićs Handspiel schwer zu verstehen ist, auch deshalb, weil der Ball für den Münchner, der sich in der Abwehrmauer befand, keineswegs überraschend kam. Bei Pavard hingegen zeigt sich: Selbst wenn der Arm ausgestreckt wird, kann es bisweilen Argumente dafür geben, ein Handspiel nicht zu ahnden. Denn will man wirklich einen Spieler dafür bestrafen, dass er am Hinterkopf keine Augen hat und seine Arme für eine normale Bewegung benutzt?

Was sonst noch wichtig war:

Um das Thema Handspiel ging es auch in der Begegnung des SC Paderborn 07 gegen den SC Freiburg (1:3). Der Paderborner Verteidiger Christian Strohdiek hatte schon nach 20 Minuten einen – gänzlich unstrittigen – Handelfmeter verursacht, kurz vor der Pause lenkte er dann erneut im eigenen Strafraum den Ball mit dem Arm ab, diesmal in der Freistoßmauer. Eine Szene, die jener mit Perišić als Beteiligtem nicht unähnlich war und zur gleichen Entscheidung führte. Anders als auf Schalke gab es zwar ein Review, doch Schiedsrichter Tobias Welz blieb dabei: kein strafbares Handspiel. Ein Entschluss, den man aus ähnlichen Gründen wie bei Perišić kritisch sehen kann. Denn auch Strohdiek orientierte sich zum Ball und bewegte den Arm in dessen Richtung.
 
Unstrittig war hingegen die Entscheidung von Schiedsrichter Sascha Stegemann, im Spiel zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und Werder Bremen (3:2) nach 71 Minuten den Treffer von Niclas Füllkrug zu annullieren. Denn auch wenn der Bremer rein gar nichts dafür konnte, dass der Ball im Zweikampf mit Kevin Vogt seinen Arm touchierte: Ein Tor, bei dem ein Angreifer in irgendeiner Form die Hand oder den Arm im Spiel hatte - und sei es noch so unabsichtlich -, darf laut Regelwerk unter keinen Umständen zählen. An dieser Stelle kennt die Handspielregel kein Grau, sondern nur Schwarz und Weiß. Das mag nicht allen gefallen, aber in diesem Punkt gibt es zumindest nichts zu interpretieren.

Eine kuriose Gelbe Karte kassierte Łukasz Piszczek in der Partie des 1. FC Köln gegen Borussia Dortmund (1:3). Der Dortmunder musste das Feld nach einer Behandlung verlassen und betrat es während des laufenden Spiels wieder - von der Torlinie. Das ist allerdings nur in einer Spielunterbrechung erlaubt. Läuft das Spiel, ist der Wiedereintritt ausschließlich an einem beliebigen Punkt der Seitenlinie zulässig. Schiedsrichter Christan Dingert hatte Piszczek noch mit den Armen angezeigt, dass er sich zur Seitenlinie begeben möge, doch der Verteidiger hatte das Zeichen womöglich falsch verstanden. Da es sich regeltechnisch um ein unerlaubtes Betreten des Platzes handelte, war die Verwarnung unumgänglich. Außerdem gab es regelkonform einen indirekten Freistoß für die Kölner, nämlich dort, wo sich der Ball befand, als Dingert das Spiel unterbrach.
 
Steffen Baumgart hat sich in die Geschichtsbücher eingetragen: Als erster Trainer im deutschen Fußball-Oberhaus hat der Paderborner Coach eine Gelbe Karte gezeigt bekommen. Schiedsrichter Tobias Welz ahndete damit einen Wutausbruch von Baumgart kurz vor der Pause, als sich der Übungsleiter über einen in der Tat voreilig abgepfiffenen Vorteil für sein Team ärgerte und seine Kappe zu Boden schleuderte. Auch der Düsseldorfer Trainer Friedhelm Funkel wurde in der Begegnung seiner Mannschaft gegen Bayer 04 Leverkusen wegen ungebührlichen Verhaltens kurz vor Schluss von Referee Patrick Ittrich verwarnt. Das absurde Gejammer der Fußballlehrer über die angebliche Einschränkung ihrer Emotionen, wo es in Wirklichkeit um unsportliches Verhalten geht, wird sich hoffentlich bald legen.

Quelle: n-tv.de


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