Summa summarum war nicht alles schlecht beim Gipfel der westlichen Mächtigen.
Die G7-Teilnehmer erreichten eine Einigung bei der Abschlusserklärung. Niemand zog seine Unterschrift zurück wie Trump im vergangenen Jahr. Dies kann in der heutigen Zeit schon als großer Erfolg bezeichnet werden, weil fast die Hälfte der Punkte in der Erklärung prinzipielle Meinungsunterschiede der G7-Mitglieder verursachten.
Der Westen zeigt sich natürlich geschlossen gegen die Schaffung von Atomwaffen durch den Iran. Allerdings gibt es keinen Kompromiss zwischen den Amerikanern und Europäern über die Methoden im Umgang mit diesem Thema. Seit mehr als einem Jahr halten die Europäer Abstand von einer härteren Linie gegen den Iran, wie die USA es fordern. Washington gehen allmählich die Möglichkeiten aus, die Situation in Bezug auf den Iran zu ändern.
Das Erscheinen des iranischen Außenministers beim Gipfel auf persönliche Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macrons änderte nichts daran. Trump weigerte sich, mit ihm zu sprechen. Der Iran wollte sein Raketenprogramm nicht zum Gesprächsthema machen. Nur die französische Regierung hatte einige Treffen mit dem iranischen Minister, doch ihr Sinn und ihre Ergebnisse sind nicht klar.
Zudem ruft die G7 zur Erhöhung der Effizienz der Welthandelsorganisation und zum Abbau der Regulierungsbarrieren auf. Das erfolgt aber vor dem Hintergrund des sich verstärkenden Protektionismus und der sich häufenden Handelskriege, deren Initiatoren gerade die Mitglieder des G7-Klubs sind.
Die Auseinandersetzungen zwischen Washington und Peking haben ein Ausmaß erreicht, dass die gesamte Weltwirtschaft erschüttern wird. Großbritannien ist nicht in der Lage, die Bedingungen für die Scheidung von der EU auszuhandeln. Die USA und Frankreich haben zwar eine „vorläufige Vereinbarung“ zur bevorstehenden Google-Steuer seitens Paris erreicht. Doch die Frage, ob dieser Beschluss tatsächlich Realität wird, bleibt offen, weil sich die so genannten Mächtigen der Welt bei ihren Handlungen immer mehr nach dem Prinzip der Unberechenbarkeit richten.
Zudem wurden in der Abschlusserklärung auch die Themen Libyen (Aufruf zum langfristigen Waffenstillstand), Hongkong (Aufruf zur Verhinderung von Gewalt) und Ukraine (das Versprechen Deutschlands und Frankreichs, ein Treffen im Normandie-Format in den nächsten Wochen abzuhalten) aufgenommen – also übliche und abstrakte Aufrufe für alles Gute und gegen alles Schlechte. Selbst das anvisierte Normandie-Treffen stößt auf ernsthafte Zweifel. Im Grunde dürfte sich nur der ukrainische Präsident Wladimir Selenski darüber freuen, weil er endlich einmal auf Augenhöhe mit den Mächtigen der Welt sprechen darf.
Außerhalb der Abschlusserklärung blieben Russland (das für den Westen zum Streitobjekt wurde), das Thema Umwelt (das „Lieblingsspielzeug“ Macrons, das von Trump jedoch verachtet wird) und natürlich die persönlichen Besonderheiten der globalen Leader, die anscheinend einen Wettbewerb gestartet haben, wer von ihnen in Sachen Exzentrik und Ambitionen die Nase vorn hat. Während man sich an Trump in den vergangenen Jahren schon mehr oder weniger gewöhnt hat, scheinen Macron und Johnson ihm in punkto Absurdität nacheifern zu wollen.
Allerdings könnte der nächste Gipfel noch interessanter sein, denn er findet in den USA statt. Der Chef des Weißen Hauses wird wohl einen Weg finden, wie man die Kollegen auf ihren Platz verweist.
Dass die G7 in der Krise stecken, war bereits bekannt, doch nach der Aufzählung der konkreten Themen, die den Westen im Inneren spalten, übersieht man häufig das Wichtigste – die Entstehung solcher Probleme widerspricht dem Wesen der G7.
Die Gipfeltreffen der führenden westlichen Staaten wurde 1975 als Symbol und praktische Verkörperung ihrer Geschlossenheit ins Leben gerufen – zunächst um gemeinsam der Sowjetunion Widerstand zu leisten und später als Klub der Anführer und größten Begünstigten der unipolaren Welt. Natürlich gab es eine bestimmte Hierarchie und einige Kontroversen, doch die G7 prahlten mit ihrer Macht und dem Zusammenhalt als Partner, Verbündete und Gleichgesinnte.
Der Beitritt Russlands im Jahr 1997 änderte nichts. Hinter der G8-Formel stand eindeutig G7 plus 1. Moskau gehörte nie richtig dazu.
Es gibt wohl kein einziges aktuelles Format der internationalen Kooperation – ob G20, BRICS oder SOZ –, das ein solches Niveau der Einheitlichkeit und des Konsenses als Fundament hat. Eher umgekehrt – überall gilt das Prinzip der Kooperation via die kontinuierliche Überwindung der entstehenden Kontroversen.
Was bis vor kurzem noch einer der großen Vorteile der G7 war, ist nun ihre gefährliche Schwäche. Die Zuspitzung der Kontroversen verwandelte den Klub, der jahrzehntelang die Welt regierte, in eine „Gemeinschaftsküche“.
In Russland atmeten viele mit Erleichterung auf, als bekannt wurde, dass beim Gipfel kein Konsens bezüglich der Einladung Moskaus zur Veranstaltung im kommenden Jahr erreicht wurde. Bei einem solchen Beschluss sahen einige sogar die Gefahr einseitiger Zugeständnisse der russischen Führung unter dem Druck des konsolidierten Westens. Doch es gibt den Verdacht, dass die G7-Mitglieder die Rückkehr Russlands noch mehr fürchten, weil Wladimir Putin in den vergangenen Jahren zunehmend als Dämon beim Provozieren von Spaltungen und Kontroversen an der „antirussischen Front“ dargestellt wurde.
Also stellt sich die Frage, wer mehr Angst haben muss.
Was eine mögliche persönliche Einladung für Putin von Trump betrifft, sollte man sich daran erinnern, dass der russische Präsident bereits seinen US-Kollegen eingeladen hat – zu den Feiern des Tages des Sieges im kommenden Jahr. Daher sollte man zunächst auf eine Antwort aus dem Oval Office warten.
Quelle : sputnik.de
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