Für US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania soll dies heute ein großer Tag werden: Im Weißen Haus empfangen sie den australischen Premier Scott Morrison zum glanzvollen Staatsdinner.
Den politischen Betrieb in der US-Hauptstadt elektrisiert allerdings eine ganz andere Angelegenheit: Es steht die Frage im Raum, ob Präsident Trump in seiner Kommunikation mit einem bislang unbekannten ausländischen Politiker Staatsgeheimnisse preisgegeben haben könnte. Oder, ob er ein Versprechen abgegeben hat, das möglicherweise in anderer Form problematisch sein könnte.
Die Sache hat das Potenzial, die Regierung von Donald Trump in die nächste schwere Krise zu stürzen. Oder auch nicht, muss man dazu sagen. Das ist offen. Denn das Paradoxe ist: Nur ein paar Eingeweihte in Washington wissen wirklich Bescheid. Es fällt das Stichwort Ukraine. Aber eigentlich ist bislang völlig unklar, worum es im Kern geht. Es ist ein Rätsel in einem Geheimnis, umgeben von einem Mysterium.
Aber da ist etwas: Fest steht, dass ein Informant ("Whistleblower"), offenbar ein Mitglied der US-Geheimdienstes, bei seiner Arbeit in der Trump-Regierung vor einigen Wochen Dinge gehört, gesehen oder erlebt hat, die er oder sie als sehr alarmierend empfand. Statt damit zu einer Zeitung oder zur Opposition zu gehen, wählte die Person den Dienstweg.
Er oder sie informierte am 12. August den Generalinspekteur für die Geheimdienste, Michael Atkinson. Das ist eine Art interner Oberaufseher im Washingtoner Geheimdienst-Apparat, der - unabhängig von politischen Weisungen - Missstände untersuchen und aufdecken soll. Nach einer Regelung, die noch vor der Amtszeit von Trump erlassen wurde, ist der Generalinspekteur auch erster Ansprechpartner für interne Informanten, die Whistleblower.
Warum wird die Herausgabe blockiert?
Der Generalinspekteur prüft, ob die vorliegenden Informationen über mögliches Fehlverhalten oder sicherheitsrelevante Vergehen in der Regierung so "glaubwürdig" und "dringend" sind, dass auch eine Befassung des Kongresses erforderlich ist. In dem vorliegenden Fall hat Generalinspekteur Atkinson dies bejaht und - korrekt nach Vorschrift - den amtierenden Geheimdienstdirektor, Joseph Maguire, um die Weiterleitung des Vorgangs an die zuständigen Geheimdienstausschüsse im Kongress gebeten.
Der Geheimdienstdirektor ist vor allem für die Koordinierung der großen Nachrichtendienste CIA, FBI und NSA zuständig. Bei ihm geriet die Sache ins Stocken. Obwohl der Direktor der Geheimdienste laut der bestehenden Vorschriften eigentlich dazu angehalten wäre, die Informationen des Whistleblowers mit dem Bericht des Generalinspekteurs innerhalb von sieben Tagen an die zuständigen Kontrollausschüsse im Kongress weiterzuleiten, entschied Maguire das Gegenteil: Er gab die mutmaßlich brisanten Informationen nicht an den Kongress heraus. Er hielt dies offenbar weder für gerechtfertigt noch für erforderlich.
Beispiellose Verweigerung gegenüber dem Kongress
Die Demokraten im Repräsentantenhaus haben nun Wind von der Sache bekommen. Sie versuchen seit einigen Tagen zu ergründen, worum es geht. Sie vermuten, dass Maguire bei seiner Blockade auf Anweisung von ganz oben handelt: Das Justizministerium soll involviert sein, möglicherweise auch das Weiße Haus.
Die Weigerung des Geheimdienstdirektors, die Informationen an den Kongress zu geben, sei "beispiellos", beklagt der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, der Demokrat Adam Schiff. Möglicherweise versuche jemand "auf einer höheren Ebene", das System zu manipulieren, um dem Kongress wichtige Informationen vorzuenthalten.
Jemand auf höherer Ebene? Sowohl die "New York Times" als auch die "Washington Post" berichten, dass US-Präsident Trump in die ganze Sache verwickelt sein soll. Es gehe um die Ukraine, schreibt die "Post" unter Berufung auf Geheimdienstkreise.
Knapp drei Wochen bevor der Whistleblower beim Generalinspekteur vorstellig geworden sei, habe Trump mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskj gesprochen.
Stichwort Ukraine - da horchen die Demokraten auf
Auch die "Times" berichtet über einen Zusammenhang mit der Ukraine, "zumindest in Teilen". Laut dem Blatt soll Trump "gegenüber einem führenden ausländischen Politiker" eine bislang unbekannte Zusage gemacht haben. In diesem Zusammenhang erwähnt die "Times" auch US-Militärhilfen für die Ukraine in Höhe von 250 Millionen Dollar. Sie wurden erst unlängst durch das Weiße Haus freigegeben.
Bei den Stichworten Trump und Ukraine dürften einige Demokraten hellhörig werden, allen voran Präsidentschaftskandidat Joe Biden. Schon vor einigen Monaten berichteten US-Medien, der enge Trump-Vertrauter Rudolph Giuliani versuche, in der Ukraine Wahlkampfmunition gegen Biden zu sammeln.
Sein Ziel sei es, die Regierung in Kiew dazu zu bewegen, Geschäfte von Bidens Sohn in der Ukraine auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Gibt es hier also einen Zusammenhang? Hat Trump womöglich die Zahlung von Geldern an Kiew mit der Einleitung von Ermittlungen in der Biden-Sache verknüpft?
Trump bügelt das Thema ab - aber ist es damit getan?
Die Demokraten im Repräsentantenhaus wollen den Bericht des Whistleblowers nun gegebenenfalls auf dem Klageweg erhalten. In der kommenden Woche soll zudem Geheimdienstdirektor Maguire vor dem Kongress Rede und Antwort stehen.
Präsident Trump für seinen Teil hat die ganze Sache schon einmal vorsorglich zu "Fake News" erklärt.
Es sei doch dumm anzunehmen, er würde in einem Telefonat mit einem fremden Politiker irgendwelche unangemessenen Dinge sagen, so Trump. Zumal, wenn andere Leute dabei zuhören würden. Und überhaupt: "Ich würde sowieso nur das tun, was richtig ist zum Wohle der USA."
spiegel
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