Das russische Verteidigungsministerium übte Kritik am Luftabwehrsystem der Saudis, das unter direkter Beteiligung der USA aufgestellt wurde. Die weltweit bekannten Patriot-Systeme haben in jener Nacht keine einzige Rakete abgefeuert. Warum das Abfangen des Drohnenangriffs mächtig daneben ging, erklärt RIA Novosti in diesem Beitrag.
Ein Schuss daneben
Laut einer hochrangigen Quelle in der russischen Militärbehörde ist das Territorium Saudi-Arabiens von allen Seiten von einer enorm starken Raketenabwehr beschützt. Über dem Territorium des Landes gibt es ein lückenloses Funkmessfeld.
So sind beispielsweise an der nördlichen Grenze Saudi-Arabiens knapp 90 Patriot-Luftabwehranlagen aufgestellt. Außerdem befinden sich im Persischen Golf vor der saudischen Küste drei US-Schiffe mit lenkbaren Raketen und dem Raketenabwehrsystem Aegis an Bord.
Also rein theoretisch könnte nicht einmal eine Fliege die saudische Staatsgrenze unerlaubt passieren. Aber in Wirklichkeit ist gerade das Gegenteil passiert: Am 14. September waren zwei größte Betriebe des saudischen Ölkonzerns Saudi Aramco einem massiven Raketen- und Drohnenschlag ausgesetzt. Keine einzige von ihnen konnte dabei abgeschossen werden.
Die Verantwortung für diese Attacke übernahmen die jemenitischen Huthi-Rebellen, gegen die Saudi-Arabien an der Spitze einer großen Koalition kämpft.
Nach dem Angriff musste Riad die Ölförderung um 5,7 Millionen Barrel pro Tag reduzieren. (Zum Vergleich: normalerweise werden 9,8 Millionen Barrel täglich gefördert.)
Die Amerikaner mussten natürlich ihr Bestes tun, um ihre Waffen vor Kritik zu verteidigen. US-Außenminister Mike Pompeo sagte beispielsweise, er sei nicht überrascht, dass die saudische Luftabwehr, auch die Patriot-Systeme, den Luftschlag gegen die Ölraffinerie nicht verhindern konnte, denn alle solchen Systeme funktionieren „mit abwechselndem Erfolg“.
Im russischen Verteidigungsministerium ist man allerdings überzeugt, dass die Raketenabwehr aus amerikanischer Produktion nur deshalb gescheitert sei, weil die Patriot-Abwehranlagen und das Aegis-System den verkündeten Eigenschaften nicht entsprechen.
Pompeos Behauptung wäre noch akzeptabel, wenn es um einen einzigen Patriot-Komplex gehen würde. Aber in Saudi-Arabien gibt es, wie gesagt, Dutzende solche Anlagen. Es ist offensichtlich, dass sie für den Kampf gegen kleine Ziele nicht geeignet und bei solchen Angriffen im Grunde nutzlos sind.
Auffallend ist übrigens, dass Pompeo den Luftangriff dem Iran vorgeworfen hat. Dabei sind die meisten Patriot-Systeme gerade im Osten Saudi-Arabiens stationiert, also in der Richtung, wo der Iran liegt. Deshalb müssten sich die Amerikaner entscheiden: Entweder zugeben, dass ihre Luftabwehrsysteme quasi nutzlos sind, oder Teherans Verbindung mit dem Drohnenangriff zu dementieren.
Theoretisch zuverlässig
Der russische Militärexperte Viktor Murachowski verwies darauf, dass Saudi-Arabien aktuell eines der am meisten entwickelten Luftabwehrsysteme im ganzen Nahen Osten habe. „Neben Patriot-Anlagen gibt es dort auch Hawk-Komplexe, Artillerie-Anlagen Skyguard, Radaranlagen, die praktisch das ganze Territorium des Landes abdecken“, sagte er gegenüber RIA Novosti. Alles werde von einem automatisierten Lenksystem kontrolliert. „Nach den technischen Daten ist das System theoretisch sehr modern und zuverlässig. Aber das einzige Kriterium der Effizienz der Technik ist bekanntlich der Kampfeinsatz – und dieser wurde absolut erfolglos.“
Mehr noch, so der Experte weiter. Da keines der erwähnten Luftabwehrsysteme Saudi-Arabiens das Feuer eröffnet habe, seien die Drohnen und Marschflugkörper, die den Luftschlag versetzten, nicht einmal geortet worden. „Dabei handelt es sich aus meiner Sicht nicht nur um technische Mängel. Möglicherweise hat auch das so genannte ‚menschliche Versagen‘ die Situation negativ beeinflusst. Aus den Einsätzen der saudischen Streitkräfte gegen die Huthi im Jemen schließe ich, dass viele von ihren Misserfolgen auf die enorm niedrige Qualifikation und auf eine fehlende Motivation ihrer Militärs zurückzuführen sind. Sie können schon seit langer Zeit die Huthi nicht in den Griff bekommen, die ihnen technisch wesentlich unterlegen sind“, so Murachowski.
Effizientes Analog
Man muss sagen, dass eine kleine Drohne von einem Luftabwehrradar nur schwer geortet werden kann. Diese Fluggeräte haben üblicherweise einen geringen Metallgehalt und bestehen überwiegend aus Plastik und Holz. „Dennoch bekommen die russischen Luftabwehrsysteme solche Luftobjekte effizient und zuverlässig in den Griff“, so der Militärexperte. So sei beispielsweise der Luftraum über dem russischen Fliegerstützpunkt Hmeimim in Syrien kein einziges Mal von einer Drohne verletzt worden. „Alle angreifenden Ziele wurden entweder durch funkelektronische Kampfmittel neutralisiert oder abgeschossen.“
Dabei wird der Stützpunkt Hmeimim relativ oft Luftangriffen ausgesetzt, egal ob dabei Drohnen oder Mehrfachraketensysteme eingesetzt werden. Alle solchen Attacken werden abgewehrt. Für den Schutz sind unter anderem Raketen- und Kanonenkomplexe „Panzyr“, „Tor“-Flugabwehrkomplexe und S-300-Raketen zuständig. Einer der bis dato letzten solchen Angriffe wurde Anfang September registriert. Dabei wurden aber die von den Terroristen gestarteten Kampfdrohnen weit außerhalb des Luftraums über dem Stützpunkt vernichtet.
sputniknews
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