Leere Zuschauerränge, Hitzewallung bei jedem Schritt, sterile Atmosphäre wie in jedem verdammten Versuchslabor: Die Live-Bilder von den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Doha verschaffen deutschen Fernsehzuschauern endlich eine Vorstellung davon, wie die Fußball-WM 2022 in Katar laufen könnte. Das Selbstverständnis des WM-Gastgebers verstümmelt das Sportfest zu einem Spielzeug, das sich reiche Menschen zum Zeitvertreib leisten können wie Galopppferde, Rennautos oder Rockkonzerte.
Nichts an Katar ist echt: nicht die Liebe am Sport, nicht die Freude am Wettbewerb, alles synthetisch erschaffen. Wir können es mit eigenen Augen erleben. Die armen Sportler. Wenn der Weltverband Fifa mit der WM-Vergabe an den Wüstenstaat Entwicklungshilfe leisten wollte, dann muss man sich angesichts der Leichtathleten fragen: Entwicklungshilfe - wofür eigentlich?
Die Diskussion wird geführt, seit die WM-Vergabe vor neun Jahren offiziell wurde. Jetzt sieht man erstmals, wohin der Irrsinn mit Spitzensport in der Wüste führt. Wo kein Volk ist, das den Sport in der Seele trägt und nicht im Geldbeutel, ist ein Weltfest der Athleten immer nur ein Eintrag im Terminkalender und nicht das Erlebnis eines Lebens.
Mit guten Deals entzündet man keine Euphorie
Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Doha hätte Katar alle Vorbehalte, die es gibt, ins Gegenteil verkehren können. Nun fehlen die Argumente, dass heranwächst, was gepflanzt wurde. Es wurde nie gesät. Es ist kein Trost, dass die Fußball-WM 2022 im Dezember stattfindet, wenn es kühler ist, und Bayern München regelmäßig in Katar trainiert und auf dem Ärmel Werbung für das Staatsunternehmen betreibt. Mit guten Deals allein entzündet man keine Euphorie, wie es zumindest teilweise bei der WM 2002 in Japan und Südkorea und 2010 in Südafrika gelungen ist.
Katar wird Tempel hinstellen, damit ein Weltmeister ermittelt werden kann, und sich bei dieser Version von Brot und Spielen einen feuchten Kehricht darum kümmern, dass anderswo in der Welt Menschenrechte eingefordert werden und Fußball ein Volkssport ist. 28 Tage lang im Mittelpunkt stehen, darum geht's. Und hinterher quittierend staunen: Ach, Fußball war das.
Pit Gottschalk ist selbstständiger Sportjournalist und veröffentlicht täglich seinen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch.
Quelle: n-tv.de
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