Meist findet man Donald Trump, falls es das Wetter erlaubt, am Wochenende auf einem seiner Golfplätze. So verbrachte der US-Präsident auch am Samstag fast vier Stunden in seinem Klub am Potomac River vor den Toren Washingtons. Doch am Sonntag verbunkerte sich Trump in der Privatresidenz des Weißen Hauses. Dutzende Tweets setzte er von dort ab, ein Rekord selbst für ihn - meist Retweets freundlicher Kommentare oder Reflexreaktionen aufs Live-Programm von Fox News.
Keiner weiß, was in Trump vorgeht. Klar ist aber: Der Druck im Whistleblower-Skandal nimmt zu. Auch diese Woche dürfte beherrscht sein von neuen Enthüllungen, die sich längst nicht mehr so einfach abschmettern lassen. Die Ukraineaffäre entwickelt sich zur politischen Zeitbombe, die unaufhaltsam weitertickt.
Die jüngste Meldung verdarb Trump bereits das präsidiale Sonntagsfrühstück: Es gibt nicht nur einen Whistleblower.
Seine Kanzlei vertrete nun auch einen zweiten Informanten in der Sache, erklärte der Rechtsanwalt Mark Zaid. Er berät bereits den ersten Whistleblower, der eine Beschwerde gegen Trump einlegte und damit die Weichen stellte für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren.
Die neue Person besitze "Kenntnis aus erster Hand" über Trumps mutmaßlichen Machtmissbrauch, so Zaid. Sein Mandant habe ebenfalls bereits mit Michael Atkinson gesprochen, dem Generalinspekteur der Geheimdienste - woraus sich schließen lässt, dass auch dieser Informant der CIA oder einem anderen US-Geheimdienst angehört.
Womöglich sind es sogar noch mehr. Zaids Kollege Andrew Bakaj bestätigte in einer SMS an US-Journalisten, dass es in der Tat "mehrere" Whistleblower gebe. Auf die Frage, ob es mehr als zwei seien, schrieb er: "Kein Kommentar."
Damit bewahrheiten sich frühere Meldungen, wonach die Vorwürfe gegen Trump breiter belegt sind als nur durch einen einzigen, anonymen Informanten, der sich leicht diskreditieren ließe.
Nach Informationen der "New York Times" hat die zweite Person Insider-Wissen über das Juli-Telefonat Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: Trump soll ihn unter Druck gesetzt haben, gegen seinen innerpolitischen Rivalen Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu ermitteln.
Mehr zu dem zweiten Whistleblower wurde bisher nicht bekannt. "Weiter so!", twitterte Trump aber schon am Samstagabend vorab über den neuen Informanten, den er als Mitglied des "Deep State" bezeichnete.
Solche Reaktionen gehören zu Trumps Skandal-Drehbuch. Erst dementiert er, dann verunglimpft er seine Ankläger als Volksfeinde, dann schiebt er die Schuld anderen zu. Und schließlich behauptet er, es sei doch gar nichts Schlimmes an der Sache gewesen. Mit dieser Mischung aus Lüge, Irreführung und Manipulation konnte er sich bisher durch alle Skandale retten, allen voran durch die Russlandaffäre.
Trumps jüngster Ukraine-Sündenbock ist Energieminister Rick Perry, der praktischerweise zum Jahresende zurücktreten will: Perry habe ihn zu dem Selenskyj-Anruf gedrängt - an dem andererseits nichts auszusetzen gewesen sei.
Zugleich schickt Trump aber Justizminister William Barr und Außenminister Mike Pompeo durch die Welt, um unbestätigten Verschwörungstheorien nachzujagen, nicht nur über Biden und die Ukraine, sondern auch über angebliche Missetaten der US-Geheimdienste in der Russlandaffäre, wovon er sich Wahlkampfmunition erhofft.
Trump weiß, dass die Wahrheit dabei unerheblich ist: Allein die Wiederholung seiner Verschwörungstheorien in den Medien sorgt dafür, dass sie sich festsetzen. Das gelang ihm auch schon bei seiner Lüge, Barack Obama sei nicht in den USA geboren - eine Lüge, die seine politische Karriere zementierte.
Ob er der CIA und dem FBI vertraue, wurde der Republikaner Ron Johnson am Sonntag im TV-Sender NBC gefragt. Seine schockierende Antwort: "Nein, nein absolut nicht."
Trotzdem: Das drohende Amtsenthebungsverfahren gegen Trump verändert die Rechnung. Anders als die Russlandaffäre nimmt der Ukraine-Skandal so rasant an Fahrt auf, dass weder das Weiße Haus noch die Republikaner mithalten können. Trump verteidigt sich als wirrer Einzelkämpfer - und hilft sich dabei wenig: Die Umfragen kippen zu seinen Ungunsten, und auch bei den bisher treuen Republikanern wachsen die Zweifel an seiner Strategie.
Trump versucht das nicht nur mit Tweets zu kontern, sondern auch mit Aufritten vor jubelnden Anhängern - am Donnerstag dieser Woche in Minnesota, am Freitag in Louisiana. "Die Menschenmassen und der Enthusiasmus", versprach er seinen Fans am Wochenende, "werden größer sein, als man sich das vorstellen kann".
sputniknews
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