Militärischer Gruß türkischer Nationalspieler

  17 Oktober 2019    Gelesen: 1023
Militärischer Gruß türkischer Nationalspieler

Als die türkische Nationalmannschaft gegen Frankreich wieder mit militaristischen Gesten jubelte, machten einige Spieler nicht mit. Bemerkenswert, denn der Druck in der Heimat ist groß.

Die Soldatengrüße der türkischen Fußballnationalmannschaft sorgen für internationale Aufregung. Neu sind diese Gesten allerdings nicht - salutierende Fußballprofis sind kein Novum in der Türkei. Neu ist eher, dass sich manche Spieler trotz des enormen gesellschaftlichen Drucks weigern, mitzumachen. Der türkische Torschütze Kaan Ayhan vom Bundesligisten Fortuna Düsseldorf gehörte am Montagabend zu den Verweigerern, auch sein Düsseldorfer Teamkollege Kenan Karaman.

Das ist bemerkenswert, da der soziale Druck zum militaristischen und nationalistischen Konsens in der Türkei in Zeiten von Militäroffensiven besonders groß ist. Die Ausnahmen zeigen, wie mächtig die Regel ist.

Immer wieder haben Spieler in der Vergangenheit auf die Geste zurückgegriffen, etwa um ihr Beileid für Soldaten oder Sicherheitskräfte auszudrücken, die bei Militäroperationen oder Anschlägen getötet wurden. Salutiert haben die türkischen Nationalspieler etwa im Jahr 2007 beim EM-Qualifikationsspiel gegen Moldawien während der Nationalhymne. Semih Sentürk, damals Stürmer beim Erdogan-Klub Basaksehir, salutierte 2017 provokativ beim Pokalspiel gegen die kurdische Mannschaft Amedspor.

Dass man mit nationalistischen Botschaften punkten kann, wusste einst auch der deutsche Nationalspieler Lukas Podolski. Im September 2015 postete er als Spieler von Galatasaray Istanbul ein Bild von sich vor einer Türkeifahne auf Twitter - ebenfalls salutierend. Die schriftliche Botschaft dazu: "Ich bin mit euch, Soldaten, die für die Flagge gefallen sind. Mein Beileid an das türkische Volk." Hashtags: Nation, Volk, Türkei. Später hat Podolski diesen Tweet durch einen neuen mit einer weniger martialischen Botschaft ersetzt.

Weshalb die beiden Düsseldorfer Bundesligisten nun auf den Soldatengruß verzichtet haben, ist nicht bekannt. Nach der Begegnung gegen Albanien, bei dem beide noch mitsalutiert haben, hatte ihr Verein Fortuna Düsseldorf eine Stellungnahme veröffentlicht. Der Sportvorstand Lutz Pfannenstiel habe umgehend das Gespräch mit den beiden Spielern gesucht, heißt es darin. Und: "Fortuna Düsseldorf distanziert sich in aller Deutlichkeit von jeglicher vermeintlich politisch motivierter Handlung, die gegen die Werte des Vereins verstößt." Möglicherweise hat diese Warnung und die Sorge um das Arbeitsverhältnis Kaan und Karaman davon abgehalten, erneut zu salutieren.

Während türkische Medien kritische Reaktionen aus dem Ausland und mögliche Strafen durch die Uefa als "Skandal" bezeichnen, kritisieren türkische Fußballfans in den Sozialen Medien das Verhalten der Verweigerer. Die Reaktionen auf Kaans Instagram-Account unterscheiden sich zwar im Ton, teilen aber die grundsätzliche Kritik: "Ein tolles Tor, aber es wäre schön gewesen, wenn du den Soldatengruß gezeigt hättest", heißt es da. Oder: "Wie kann es sein, dass du nicht salutierst". Andere Kommentare haben einen aggressiveren Ton: "Vor wem oder was hast du Angst?" oder "Du wirst den Soldatengruß noch lernen".

Wie zwingend der nationalistische Konsens insbesondere in Zeiten militärischer Kämpfe ist, zeigen Beispiele aus der Unterhaltungsbranche. Vergangene Woche kritisierte die regierungsnahe Zeitung "Sabah", dass sich Sänger Tarkan und Comedian Cem Yilmaz bisher nicht zur Militäroffensive geäußert hätten. Tarkan twitterte gleich am Tag nach dem Bericht eine Beileidsbekundung für getötete türkische Soldaten. Comedian Cem Yilmaz verkündete am selben Tag, dass er die Einnahmen von einem Auftritt Ende Oktober an eine Stiftung spenden werde, die Veteranen und Angehörige von getöteten Soldaten unterstützt.

Die Frage in der Türkei ist also nicht, wer sich zu nationalistischen Gesten hinreißen lässt, sondern, wer den Mut hat, sich ihnen zu entziehen.

Quelle : spiegel.de


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