Der Chef des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, hat Kanzlerin Angela Merkel aufgefordert, den Nordsyrien-Konflikt zur Chefsache zu machen. Deutschland müsse mit allen politischen Mitteln versuchen, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu überzeugen, seine Militäroffensive in Nordsyrien einzustellen, sagte Wüstner vor einer Türkei-Reise von Bundesaußenminister Heiko Maas der "Rheinischen Post". "Das muss aufgrund unserer ureigensten Sicherheitsinteressen endlich Chefsache im Kanzleramt werden."
Zu Überlegungen in der SPD, die Nato-Mitgliedschaft der Türkei wegen der Offensive infrage zu stellen, sagte Wüstner: "So nachvollziehbar der Ärger über die türkische Politik ist: Ein Rauswurf aus der Nato kann nicht die Lösung sein. Die Türkei ist ein wichtiger Partner an der Ostflanke des Bündnisses." Das Transatlantische Militärbündnis könne es sich nicht leisten, die Türkei an den russischen Präsidenten Wladimir Putin "zu verlieren". Wüstner mahnte: "Wir würden vollends erpressbar."
Gut zwei Wochen nach dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien reist Maas am heutigen Samstag nach Ankara. Bei seinem Gespräch mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu will er auf eine dauerhafte Waffenruhe dringen. Außerdem will er die Einhaltung internationalen Rechts beim Umgang mit Flüchtlingen und eine Unterstützung der politischen Friedensbemühungen für Syrien einfordern. Ob Maas auch Präsident Erdogan treffen wird, ist noch unklar. Erdogan hatte Maas kürzlich als "politischen Dilettanten" bezeichnet.
Die Türkei war vor gut zwei Wochen in Syrien einmarschiert, um die von ihr als Terrororganisation angesehene Kurdenmiliz YPG zu verdrängen. Zuvor hatten die bis dahin mit den Kurden verbündeten US-Truppen mit ihrem Abzug aus dem Gebiet begonnen. In den vergangenen Tagen waren zwei Waffenruhe-Abkommen mit den USA und Russland in Kraft getreten, die der YPG die Gelegenheit geben sollen, abzuziehen.
Laschet über AKK: Was meint sie?
Maas kann in Ankara keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung zum weiteren Vorgehen in Nordsyrien präsentieren. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte Anfang der Woche im Alleingang eine Sicherheitszone im Grenzgebiet zur Türkei vorgeschlagen, die von einer UN-Truppe geschützt werden soll. Maas und die SPD haben sich nicht hinter den Vorschlag gestellt.
"Ich habe selten ein solches inhaltliches und kommunikatives Durcheinander erlebt wie durch den Vorschlag von Frau Kramp-Karrenbauer", sagte der SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich den Funke-Zeitungen. Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten": "Worum es hier geht, ist die Militarisierung der Außenpolitik, die die CDU-Chefin erkennbar aus innenpolitischer Schwäche betreibt."
Auffallend deutlich kritisierte auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet die Initiative seiner Parteichefin. "Ich glaube, so etwas kann man besser abstimmen in einer Koalition", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Überhaupt sei vieles noch im Ungefähren, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der in der Frage der Kanzlerkandidatur als potenzieller Konkurrent von Kramp-Karrenbauer gilt. "Was meint sie? Meint sie eine UN-Blauhelmmission? Meint sie einen Kampfeinsatz? Da sind viele Fragen offen."
Quelle: n-tv.de, fzö/AFP/dpa
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