"Make it in Germany" - mit diesem Slogan wirbt Deutschland um ausländische Fachkräfte. Auf einem Internetportal gibt es eine Jobbörse und Infos zu Sprachkursen. Es wird auf die gute Qualität von Bildungs- und Gesundheitssystem verwiesen, auf die politische Stabilität - und auf im internationalen Vergleich kurze Arbeitszeiten mit vielen Urlaubs- und Feiertagen.
Die Werbung ist nötig: Denn die Bundesregierung sieht Deutschland in den kommenden Jahren zunehmend auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Gleichzeitig ist Deutschland einer Studie zufolge für ausländische Akademiker nicht sonderlich attraktiv. Innerhalb der 36 Mitglieder zählenden Industriestaaten-Organisation OECD kommt die Bundesrepublik lediglich auf Platz zwölf. Am Nachmittag wollen Kanzlerin Angela Merkel und mehrere Bundesminister bei einem Fachkräftegipfel mit Vertretern der Wirtschaft und von Gewerkschaften beraten, wie ausländische Arbeitnehmer besser angeworben werden können.
Worum geht es bei dem Treffen?
Deutschland steht mit anderen Ländern im Wettbewerb um Fachkräfte. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Anfang März in Kraft tritt, soll qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten deutlich leichter und schneller den Weg nach Deutschland ebnen. Dahinter steht eine Fachkräftestrategie der Bundesregierung, die auf drei Säulen basiert. Zum einen soll das Fachkräftepotenzial im Inland besser genutzt werden. So sollen Arbeitslose qualifiziert werden, damit sie einen Job finden. Zum anderen soll es weiter Zuwanderung aus EU-Staaten gehen.
Die Regierung geht aber davon aus, dass die Zuwanderung aus der EU abnimmt - weil diese Länder ihre Fachkräfte selbst brauchen und ebenfalls vom demografischen Wandel betroffen sind, also der Alterung der Bevölkerung. Deswegen soll nun die "dritte Säule" gestärkt werden: die Einwanderung von Fachkräften aus sogenannten Drittstaaten, also aus Ländern außerhalb der EU. Intern geht man in der Bundesregierung davon aus, dass in den kommenden Jahren Zehntausende Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten gebraucht werden.
In welchen Berufen gibt es Engpässe?
Die größten Engpässe bestehen laut Fachkräftestrategie derzeit bei Berufen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik - daneben sind der Bau, der Hotel- und Gaststättenbereich sowie Gesundheitsberufe betroffen. Konkret gehe es etwa um Elektrotechniker, Metallbauer, Mechatroniker, Köche, Alten- und Krankenpfleger, Informatiker sowie Softwareentwickler. Für die Wirtschaft bleibt der Fachkräftemangel trotz einer schwächeren Konjunktur das größte Geschäftsrisiko, wie aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags hervorgeht. Für Unternehmen wirkt das wie ein Bremsklotz: Sie können Aufträge nicht annehmen, weil sie nicht genügend qualifizierte Leute haben.
Warum ist Deutschland für zugewanderte Akademiker nur mäßig attraktiv?
"Das größte Defizit in der Attraktivität für Hochqualifizierte hat Deutschland bei den beruflichen Chancen", hieß es in einer Studie der Bertelsmann Stiftung und Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). "Diese stehen für zugewanderte Menschen - insbesondere, wenn sie einen akademischen Abschluss aus Nicht-EU-Ländern mitbringen - vergleichsweise schlecht." Bei den um Steuern und Preisniveau bereinigten Löhnen komme Deutschland zudem lediglich auf Rang 25. Die Arbeitslosenquote für zugewanderte Akademiker liegt mit sieben Prozent trotz insgesamt guter Arbeitsmarktlage sogar leicht über dem OECD-Durchschnitt. Darüber hinaus würden ausländische Akademiker häufig nicht in Jobs arbeiten, die ihrem Qualifikationsniveau entsprechen.
Wie und wo sollen Fachkräfte angeworben werden?
Länder, in denen Fachkräfte angeworben werden sollen, sind laut der Strategie der Bundesregierung zunächst unter anderem Brasilien, Indien, Vietnam und Mexiko. Entscheidend ist, dass Länder Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland haben - also überhaupt zulassen, dass Fachkräfte angeworben werden sollen. Ist das der Fall, soll die Beratung von Interessierten im Ausland verbessert werden. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Auslandshandelskammern. Besonders wichtig: Angebote bereits im Ausland, um Deutsch zu lernen.
"Das Anwerben von Arbeitskräften aus Drittstaaten ist harte Arbeit", sagte Daniel Terzenbach, Mitglied im dreiköpfigen Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Es gehe um die Anerkennung der Berufsausbildung und Behördengänge. Die Bundesagentur versuche, "einen fairen und transparenten Mobilitätsprozess" zu organisieren. Keinesfalls sollen die Menschen im Ausland oder in Deutschland an die falschen Leute geraten und abgezockt werden.
Die Bundesagentur sucht seit Jahren mit Partnern gezielt nach Arbeitskräften im Ausland für den deutschen Markt - etwa auf den Philippinen, in Tunesien oder auch in Bosnien-Herzegowina. Nach Angaben der Bundesagentur kamen im vergangenen Jahr 60.000 Menschen aus Nicht-EU-Ländern aus beruflichen Gründen nach Deutschland. Für Nicht-Akademiker blieb die Tür aber meist zu - obwohl allein in der Pflege in Deutschland derzeit 40.000 Kräfte fehlen.
Wie kommen die angeworbenen Fachkräfte nach Deutschland?
Auch die begehrteste Fachkraft kommt nicht weit ohne Visum. Die deutschen Auslandsvertretungen, die die Dokumente ausstellen, erweisen sich aber bisher als Flaschenhals auf dem Weg nach Deutschland. Angesichts der stark gestiegenen Nachfrage habe man an betroffenen Standorten bereits aufgestockt, sowohl personell als auch räumlich, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. "Dadurch konnten wir die Wartezeiten für qualifizierte Fachkräfte an vielen Vertretungen drastisch reduzieren", wird dort versichert.
Die Bundesregierung investiert nun in Personal: Im Haushalt für das kommende Jahr sind 109 zusätzliche Stellen unter anderem für die Visabearbeitung vorgesehen. Außerdem sollen Visaverfahren digitalisiert werden. Eine eigene Behörde mit mindestens 200 Mitarbeitern, das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten, soll sich von Anfang 2021 an unter anderem um die Visabearbeitung kümmern.
Gibt es Verbesserungen bei der Integration?
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, warnte davor, alte Fehler zu machen. "Es war falsch, die sogenannten Gastarbeiter der 1950er- und 1960er- Jahre nicht systematisch zu integrieren", sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ausländische Fachkräfte müssten in allen Lebensbereichen integriert werden. "Was dem türkischen Bergmann der ersten Gastarbeitergeneration gefehlt hat, muss die philippinische Pflegerin von heute bekommen."
Quelle: n-tv.de
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