Es ist nur ein Bruchteil der Summe, die sie gefordert hatte, und dennoch ist es ein großer Sieg für Shiori Ito: Die Journalistin hat in einem Zivilprozess um eine Vergewaltigung 3,3 Millionen Yen (etwa 27.000 Euro) Schadensersatz zugesprochen bekommen. Ursprünglich hatte sie 11 Millionen Yen von dem bekannten Reporter Noriyuki Yamaguchi gefordert, den sie beschuldigt, sich an ihr vergangen zu haben. Der Fall war der erste in Japan, in dem eine Frau ihren Angreifer derart öffentlich angeklagt hatte.
Nach der Gerichtsentscheidung vom Mittwoch zeigte sich Ito sehr erleichtert. Sie sei "von Dankbarkeit erfüllt", sagte sie ihren Unterstützern vor dem Justizgebäude. "Ich bin so glücklich", sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Aber: "Es ist nicht vorbei. Nun muss ich herausfinden, wie ich mit den Folgen leben kann." Nach Überzeugung des Gerichts leidet die 30-Jährige immer noch an sogenannten Flashbacks und Panikattacken.
Ito und Yamaguchi hatten sich im April 2015 verabredet, um bei einem Abendessen um berufliche Themen zu sprechen - beide sind Journalisten. Doch dabei sei ihr plötzlich schwindlig geworden, erzählt Ito. Stunden später wachte sie im Hotelzimmer des Kollegen wieder auf, spürte Schmerzen im Unterleib - und merkte, dass ihr Kollege nackt auf ihr lag. Sie ist sich sicher, dass ihr Yamaguchi Drogen verabreicht hatte, um sich an ihr zu vergehen.
Doch die juristische Aufarbeitung ist schwierig, das liegt auch an dem japanischen Rechtssystem. Demnach zählen Übergriffe nur als Vergewaltigung, wenn sie von nachweisbarer körperlicher Gewalt begleitet sind. Das Opfer muss belegen können, dass es sich mit aller Kraft gewehrt hat. Sonst gilt der Akt nicht als erzwungen, und der Täter bleibt straffrei.
Ito zeigt ihren Vergewaltiger an, doch ein Jahr später, im Juli 2016, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Die Beweislage sei zu dünn, um Yamaguchi vor Gericht zu bringen. Es geht auch das Gericht um, dass Yamaguchi deshalb straffrei blieb, weil er enge Verbindungen zum japanischen Premier Shinzo Abe unterhalte.
Yamaguchi bestreitet, Ito unter Drogen gesetzt zu haben. Vielmehr sei sie in der Nacht so betrunken gewesen, dass er sie nicht allein habe nach Hause fahren lassen wollen, sagt er. Sie habe ihm später aus Scham angeboten, mit ihm zu schlafen.
Itos Entscheidung, offen über ihren Fall zu sprechen, sei im Interesse der Öffentlichkeit gewesen, urteilte das Gericht in Tokio nun. Damit sei nicht die Privatsphäre von Yamaguchi verletzt worden. Ihr war es dabei um mehr gegangen als das Geld. Sie will, dass das japanische Recht reformiert wird: Missbrauch soll auch dann anerkannt werden, wenn der Täter das Opfer nicht körperlich verletzt.
spiegel
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