USA-Iran-Krise: Warum Deutschland und EU aktuelle Situation „mit herbeigeführt“ haben

  07 Januar 2020    Gelesen: 1159
    USA-Iran-Krise:   Warum Deutschland und EU aktuelle Situation „mit herbeigeführt“ haben

Die EU-Mächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben diplomatisch in der aktuellen Iran-USA-Krise „komplett versagt“. Diese Analyse liefert der Sicherheitspolitiker und Abgeordnete für die Linke im Bundestag, Alexander Neu. Im Sputnik-Interview erklärt er auch, warum die USA im Irak gegen das Völkerrecht verstoßen.

„Der Iran wird keinen großen konventionellen Krieg anstreben, weil er da auf verlorenem Posten stünde“, sagte Alexander Neu, Sicherheitspolitiker und Verteidigungsexperte der Linken im Bundestag, im Sputnik-Interview.

„Wenn es zu einem großen Krieg kommen würde, hätte US-Präsident Trump damit keine Probleme, wie er am Sonntag getwittert hat. Wenn man 52 Ziele im Iran bereits identifiziert hat, dann wäre das schon ein großer Schlag der USA gegen den Iran.“ 
Der Sicherheitsexperte der Links-Fraktion könne nicht ausschließen, dass es zu einem Krieg zwischen den USA und dem Iran kommt, auch wenn er auf Frieden hofft:

„Der Iran ist, was die konventionellen Fähigkeiten betrifft, den USA um Längen unterlegen. In einem direkten militärischen Schlagabtausch hätte der Iran keine Chance. Der Iran hat unterhalb dessen aber andere Möglichkeiten.“

Diese lägen in der „asymmetrischen Kriegsführung“ und im Guerilla-Kampf. Dort habe Teheran seine Vorteile.

„Nämlich in der Hit-and-Run-Technik. Also das, was man im Westen unter Partisanen-Kriegsführung kennt. Da kann der Iran über Proxies (Stellvertreter, Anm. d. Red.), die er im Irak, im Libanon und in anderen Regionen hat, durchaus schmerzhafte Wunden bei den US-Amerikanern hinterlassen. Diese könnten auf jeden Fall so schmerzhaft sein, dass sich die USA überlegen, ob das eine gute Idee ist, so zu agieren, wie man agiert.“
Damit bezog er sich auf die völkerrechtlich gesehen „illegale Hinrichtung“ des iranischen Top-Generals Qassem Soleimani durch die USA.

„Illegale Ermordung könnte zu Katastrophe führen …“
„Die Stabilität im Nahen Osten ist seit mindestens 20 Jahren nicht mehr gegeben“, blickte Neu zurück. Spätestens seit „dem Überfall der USA auf den Irak 2003“ sei dies der Fall für die krisengeschüttelte Region.

„Nun läuft aber scheinbar alles aus dem Ruder: Die illegale Tötung und Ermordung des Al-Quds-Generals wird zu einer Katastrophe führen, das ist vorhersehbar. Ich wundere mich sehr, dass die US-Amerikaner ein solches Szenario nicht gewissermaßen antizipiert (vorhergesehen, Anm. d. Red.) haben. Wir haben jetzt eine Situation, die hochgefährlich ist.“
Die Leidtragenden seien nun vor allem andere westliche US- und Nato-Partner.

„Der Westen steht jetzt wegen der Aktion der USA vor einem Scherbenhaufen im Nahen Osten. Der Atom-Deal ist komplett tot.“

Warum Deutschland, Frankreich und England „komplett versagt“ haben
Das ohnehin fragile Vertrauen der iranischen Führungen in den Westen – auch namentlich in Großbritannien, Frankreich und Deutschland – sei schwer erschüttert. Dies sei schade, nachdem es in den letzten Jahren doch zu gewissen diplomatischen Annäherungen kam. So sei das in harten diplomatischen Verhandlungen zwischen Teheran und westlichen Mächten ausgehandelte Atom-Abkommen für den Iran aktuell „im Prinzip gegessen“, so der direkte Kommentar von Neu. Laut internationalen Medien hat die iranische Regierung schon am Sonntag angekündigt, dass sich der Iran „nicht mehr“ dem Wiener Atom-Abkommen von 2015 „verpflichtet fühle“.

Der Linken-Politiker beklagt vor allem, dass die drei EU-Mächte Berlin, Paris und London als „die sogenannten E-3 nie einen Zweifel daran gelassen haben, auf wessen Seite sie stehen. Man hat sich bei vielen Debatten um den Iran der Argumentation der USA angeschlossen. Der Westen, die europäischen Staaten und insbesondere die drei Großen - Großbritannien, Frankreich und Deutschland - sind keine ehrlichen Makler in der Diplomatie und weit davon entfernt. Sie sind wieder einmal ein Vasall der USA. Das ist sehr bedauerlich – auch weil es um europäische Sicherheitsinteressen geht.“ Auch diese würden von den europäischen Staaten selbst aktuell vernachlässigt.

„Ich kann nur sagen: Die Europäische Union mit ihren drei großen Mächten hat nicht nur verloren – sondern sie hat die Situation, die wir jetzt kennen, aktiv mit herbeigeführt.“

Eben weil sich EU-Mächte wie Deutschland „immer wieder im Fahrwasser der USA bewegt haben und Washington nichts wirklich entgegengesetzt haben. Das transatlantische Bündnis hat einen Stellenwert in Berlin, in Paris und auch in London, der über allem steht: Über dem Völkerrecht und über eigenen europäischen Interessen.“

Führende europäische Außenpolitiker würden „komplett ideologisch“ agieren – also immer pro-transatlantisch – und könnten dadurch echte und pragmatische Lösungen in der Außenpolitik übersehen. Dies könne vor allem in der aktuellen Situation brandgefährliche Folgen haben.

Aktionen der USA: „Illegal und völkerrechtswidrig“
US-Präsident Donald Trump hatte bereits am Samstag auf Twitter angekündigt, dass die USA „52 ausgesuchte Ziele im Iran“, darunter auch Objekte des Welt-Kulturerbes, im Visier hätten, falls das Land nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani Schläge gegen US-Einrichtungen durchführen sollte. Dieser Tweet sorgte bei etlichen Beobachtern für Empörung. Denn das Völkerrecht verbietet es, militärische Schläge und Aktionen gegen kulturelle – und auch zivile – Objekte zu führen. Daraufhin versuchte US-Außenminister Mike Pompeo am Sonntag, die Wogen zu glätten: Die USA würden „nach dem Gesetz handeln“, betonte er.

Mit Blick auf durchgeführte und angekündigte Aktionen des US-Militärs bezog sich Linken-Sicherheitspolitiker Neu auf das international verankerte Gewaltverbot:

„Androhungen von Gewalt gegen einen anderen Staat sind generell völkerrechtswidrig. Die andere Ebene ist: Wenn zivile Strukturen oder auch kulturelle Güter zerstört werden würden durch die USA – darin haben sie ja sehr viel Übung und Erfahrung: im Jugoslawien-Krieg, in den Irak-Kriegen etc. – wären das natürlich Kriegsverbrechen. Aber da haben die USA keine Sorgen, dass sie diesbezüglich vor dem Internationalen Strafgerichtshofs landen werden. Sie sind dort nicht Mitglied und können Kriegsverbrechen begehen, so viel sie wollen: Sie werden nicht vor einem Gericht landen. Das finde ich sehr bedauerlich.“

Die US-Regierung spricht bei der Ermordung des iranischen Top-Generals Qassem Soleimani von einer „gezielten Tötung“. Für den Bundestags-Verteidigungsexperten dagegen ist die Tat „eine illegale Tötung, also eine Hinrichtung. Der Iran befindet sich nicht in einem offiziellen Kriegszustand mit den USA. Trotz der Spannungen gibt es keinen Kriegszustand. Insofern ist der General auch kein legitimes Ziel. Sondern er ist Offizier eines anderen Staates – aber eben kein Kriegsziel. Man hat ihn insofern geradezu hingerichtet.“

Zudem betonte Neu: „Die Linke hat von Anfang an eine Beteiligung der Bundeswehr im Anti-IS-Einsatz abgelehnt. Dieser ist im Irak auch nur begrenzt rechtskonform. Sollte es jetzt zur Umsetzung der Resolution des irakischen Parlaments kommen, würde sich die Bundeswehr dort auf irakischem Territorium illegal aufhalten. Aus einer Armee (der Bundeswehr, Anm. d. Red.), die vom Irak eingeladen wurde, um gegen den IS zu kämpfen und irakische Sicherheitskräfte auszubilden, wurde de facto und auch formal eine Besatzungs-Armee. Dies ist ein weiterer Rechtsbruch.“

Die Linke fordert zudem laut einer aktuellen Pressemitteilung „den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus dem Irak und dem irakischen Luftraum sowie die sofortige Beendigung der völkerrechtswidrigen Überflüge im syrischen Luftraum.“

sputniknews


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