Großmaul McGregor schrumpft sein Ego

  17 Januar 2020    Gelesen: 920
  Großmaul McGregor schrumpft sein Ego

Provozieren, beleidigen, den Gegner klein machen: Das ist normalerweise das Standardrepertoire von Conor McGregor. Vor seinem Comeback in Las Vegas präsentiert der UFC-Superstar erstmals eine neue Seite und gibt sich bescheiden. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Die UFC ist in der Regel vor allem etwas für hartgesottene Kampfsportfans, doch Conor McGregor macht die Käfigkämpfe zu einem globalen Medienereignis. Der irische Kampfsportler ist eine Ikone der Mixed-Martial-Arts-Szene - wegen seines Auftretens in und außerhalb des Rings. Während sich die meisten UFC-Kämpfer auf die brutalen fünf Mal fünf Minuten im Octagon konzentrieren, geht der Kampf für McGregor bereits mehrere Tage zuvor los. Vor seinem Comeback nach über einem Jahr Pause gegen Donald Cerrone (Sonntag, 5.30 Uhr) erleben Fans auf der Pressekonferenz in Las Vegas erstmals einen anderen Conor McGregor.

Keiner kann sich so herablassend dem Gegner gegenüber und selbstbewusst zugleich präsentieren - doch auf das übliche Provozieren, Aufplustern und Beleidigen verzichtet "The Notorious" gegen Cerrone völlig. Keine Psychotricks. Respektsbekundungen, Shakehands und für McGregor-Verhältnisse bescheidene Aussagen stehen stattdessen auf der Tagesordnung. Der Kampf gegen "Cowboy" Cerrone werde blutig werden, aber das sei in diesem Sport ja auch essenziell. "Ich habe einen starken Gegner, einen Veteranen", lobt McGregor. Er sei nur engagiert, konzentriert und glücklich, in Vegas zu sein.

Cerrone habe zudem seinen Respekt, weil auch der US-Amerikaner, genau wie McGregor, zwischen den Gewichtsklassen wechsele und sich überall bewiesen habe. "Das machen nicht viele in unserem Geschäft", unterstrich McGregor. Ein ernstzunehmender Gegner ist Cerrone in jedem Fall. Der 36-Jährige ist gewichtsklassenübergreifend der UFC-Kämpfer mit den meisten Siegen - 23 Mal triumphierte der "Cowboy", allerdings war er auch 10 Mal unterlegen.

Stilecht mit Schlangenlederjacke

Favorit bleibt aber McGregor und deshalb zeigte auch Cerrone seine nette Seite und sparte nicht mit Komplimenten. Vor einigen Jahren hatten die beiden noch eine hitzige verbale Auseinandersetzung bei einer Pressekonferenz, doch seitdem habe McGregor seinen Worten Taten folgen lassen. Daher respektiere er den Iren. "Alles, was er angekündigt hat, hat er umgesetzt. Er hat Titel in verschiedenen Gewichtsklassen gewonnen. Er ist verdammt gut. Es ist eine Ehre, den Ring mit ihm zu teilen." Gekonnt spielten sich die beiden Kontrahenten verbal die Bälle zu. Erst witzelte McGregor noch über die stilechte Schlangenlederjacke des "Cowboys", wenig später wollte er "auch so eine" haben.

Die Zuschauer bei der Pressekonferenz und auch die Medienvertreter sahen einen McGregor, der erstmals das Event in den Vordergrund und sein Ego hinten anstellt. Verändert habe sich der Ire nicht nach seiner 15-monatigen UFC-Abstinenz. "Ich bin so echt, wie es nur geht", sagte McGregor. Er reagiere stets auf die aktuelle Situation und die Situation scheine etwas anders zu sein als sonst, "daher reagiere ich entsprechend".

Der Respekt für Cerrone ist aber nur ein Grund für die Light-Variante McGregors. Dahinter steckt auch der Versuch, das Image des extrovertierten Iren aufzupolieren. Denn die Gerüchte über dessen jüngste mutmaßliche Missetat stehen immer noch im Raum: McGregor wird in seiner Heimat beschuldigt, gegenüber einer Frau in Dublin sexuell übergriffig geworden zu sein.

Bitte keine unbequemen Fragen

Die UFC hatte im Vorfeld ihr Bestes getan, um McGregor von Fragen über die laufenden Ermittlungen in Irland fernzuhalten, und das Thema in einem Interview mit Medienpartner ESPN spärlich abgehandelt. Darin widersprach der 31-Jährige den Anschuldigungen und kündigte an, die Zeit werde die Wahrheit ans Licht bringen. Als ein Reporter das Thema auf der Pressekonferenz ansprach, schwieg McGregor. Stattdessen buhten die Fans den Reporter aus und UFC-Präsident Dana White verwies auf das bereits ausgestrahlte ESPN-Interview.

Die UFC hat gute Gründe, ihr Zugpferd zu schützen. Schließlich endet schlechte Publicity für die UFC in der Regel mit geringeren Einnahmen. Und Conor McGregor bedeutet Geld und Aufmerksamkeit. Der Ire ist mittlerweile eine so große Nummer im Kampfsport, dass die UFC ihn an den Pay-per-view-Einnahmen beteiligt. Das kommt auf seine ohnehin schon üppige Antrittsprämie von 5 Millionen Dollar obendrauf. Insgesamt soll McGregor durch den Kampf rund 80 Millionen Dollar verdienen. Dafür ist auch Cerrone dankbar, der durch McGregor eine Gage von immerhin drei Millionen Dollar einstreicht.

So ein bisschen vom "alten" McGregor erleben die Fans dann aber doch noch. Als "Mystic Mac" schaut McGregor in die Zukunft und sagt den Ausgang des Kampfes voraus. "Ein Knockout wird es in jedem Fall - oder ein Sieg per Aufgabe", ist sich der Ire sicher. Promoter White schmunzelt, Kontrahent Cerrone lacht und klatscht Beifall angesichts der Tatsache, dass sein Gegenüber noch nie einen Kampf per Aufgabe gewonnen hat. Alle sind zufrieden. Nach einer Pressekonferenz mit dem berüchtigten Conor McGregor. Ein Novum.

Quelle: ntv.de


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