Erdogan verliert die Nerven : Frontal-Angriff auf die USA
Die YPD gehört zu den wichtigsten US-Verbündeten beim Kampf der radikalislamischen IS-Miliz in Syrien. Die YPD steht aber auch der von den USA und der EU als Terrorvereinigung eingestuften Kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe, gegen die die Regierung in Ankara seit Jahrzehnten in einen gewalttätigen Konflikt um mehr Autonomie für die Kurden im Südosten der Türkei verwickelt ist. Die Regierung ist zuletzt mit äußerster Härte gegen die Kurden vorgegangen. Beobachter sprachen von einem regelrechten Bürgerkrieg.
Das Problem Erdogans: Russland und die USA sind offenkundig übereingekommen, die Kurden in Nordsyrien als Teil der Lösung in Syrien anzusehen. Die YPD kämpft seit Anbeginn gegen die Terror-Miliz IS und wird sowohl von den Amerikanern als auch den Russen unterstützt. Die US-Regierung hatte erst vor einigen Tagen klargemacht, dass sie die YPD nicht als Terroristen ansieht – was zu einem ersten Tobsuchtsanfall von Erdogan geführt hatte.
Enttäuscht dürfte Erdogan auch von Angela Merkel sein, die ihm noch am Montag in Ankara versprochen hatte, Deutschland stehe auf der Seite der türkischen Regierung. Merkel hatte sogar angekündigt, die Nato mobilisieren zu wollen, um den Türken zu helfen – offiziell im Kampf gegen die Schlepper.
Doch am Mittwoch hat sich auch Erdogans Hoffnung auf eine Hilfe durch die Nato zerschlagen: Beim Treffen der Verteidigungsminister der Allianz stellte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch keine schnelle Entscheidung in Aussicht. Die Bundesregierung ruderte ihrerseits zurück und stellte fest, eine „eigenständige“ Rolle der Militärallianz im Kampf gegen Schlepper in der Ägäis solle es nicht geben.
Deutschland und die Türkei hatten am Montag beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Ankara angekündigt, sie wollten die Nato in den Kampf gegen Schlepper in der Ägäis einbinden. Das Bündnis war von der Initiative überrascht worden, die vage Ankündigung ließ Raum für Spekulationen in alle Richtungen.
Stoltenberg bekräftigte, der Vorschlag werde „sehr ernsthaft“ geprüft. Es sei aber „zu früh“, eine Entscheidung zu treffen. Auch Fragen, ob See- oder Luftkräfte eingesetzt werden sollten, könnten erst später beantwortet werden.
Doch Erdogan läuft die Zeit davon: Die Russen nähern sich der Stadt Raqqa, die Kurden riegeln – in offenkundiger Abstimmung mit den Russen – die türkische Grenze ab. Damit wird es für die Türkei nicht mehr möglich, ihre Interessen durch den IS vertreten zu lassen.
Am Mittwoch versuchte die türkische Militär-Propaganda, die Lage noch etwas zu dramatisieren. Das türkische Militär behauptete, man habe an der Grenze zu Syrien eine Gruppe von 34 schwer bewaffnete Menschen festgenommen, darunter 20 Kinder. Bei der Aktion seien vier Selbstmordattentäter-Westen und 15 Kilogramm Sprengstoff beschlagnahmt worden, meldeten die Nachrichtenagentur Dogan und andere Medien am Mittwoch unter Berufung auf die Armee. Zu der Gruppe gehörten demnach neben den Kindern zehn Frauen und vier Männer. Sie seien am Dienstag im Südosten der Türkei in der Provinz Gaziantep festgenommen worden. Damit soll wohl versucht werden, in der EU weiteren Schrecken zu verbreiten. Denn entgegen der bisherigen Lesart behauptet ein US-Geheimdienst laut Reuters, dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge mischen.
Im türkischen Kurdengebiet gab es nach Armeeangaben am Dienstagabend zudem ein Gefecht zwischen dem Militär und kurdischen Extremisten, die aus Syrien eingedrungen seien. Ein Soldat sei dabei getötet worden, ein weiterer verletzt.