Klimarechts-Experte: „Klimaklagen können der Politik Beine machen“

  23 Januar 2020    Gelesen: 1301
Klimarechts-Experte: „Klimaklagen können der Politik Beine machen“

Der Jurist und Experte für Klimahaftung, Will Frank, meint, dass gute Aussichten bestehen, dass der Verfassungsgerichtshof den deutschen Klimaklagen stattgeben wird. Warum, erklärt er im Sputnik-Interview.

Am 20. Dezember 2019 hat der „Hoge Raad“, das Niederländische Verfassungsgericht, in seiner Entscheidung „Urgenda“ in dritter und letzter Instanz die niederländische Regierung dazu verurteilt, die Treibhausgasemissionen der Niederlande bis Ende 2020 gegenüber dem Basisjahr 1990 um 25 Prozent zu senken. „Urgenda“ ist der Name der niederländischen Klimastiftung, die geklagt hatte.

Europäische Menschenrechtskonvention gilt auch für Deutschland
Will Frank, der das Team Internationale Klimapolitik bei der Entwicklungsorganisation „Germanwatch“ in Klimarechtsfragen berät, erläutert dazu:

„Das höchste Gericht der Niederlande hat in diesem Verfahren die Klagebefugnis von 886 Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wegen der generellen Gefährdung der Menschenrechte auf Leben und auf den Schutz von Familien gemäß Artikel 2 und 8 der EMRK durch den Klimawandel bejaht. Auch Deutschland – wie im Übrigen auch Russland – ist an die EMRK gebunden, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auslegung der nach dem deutschen Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte zu beachten ist. Das muss auch für die Zulässigkeit von auf die Menschenrechte gestützten Schutzklagen gelten.“

Wird Karlsruhe dem „Urgenda“-Urteil folgen?
Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, das die Klimaschutzklage von drei bäuerlichen Familien abgewiesen hat, stehe nur scheinbar im Widerspruch zu der niederländischen „Urgenda“-Entscheidung, erklärt Frank. Das Gericht habe die Klage abgewiesen, weil es der Meinung sei, dass die Regierung rechtlich nicht an ihre früheren Kabinettsbeschlüsse gebunden ist. „Deshalb ist es so wichtig, dass jetzt die klimapolitischen Maßnahmen in ein Gesetz gefasst sind, gegen das geklagt werden kann.“ 

Tue eine Regierung zu wenig für den Klimaschutz und verstoße sie damit gegen das verfassungsrechtliche „Untermaßverbot” beim Schutz von Grundrechten, so bejahe auch das Berliner Verwaltungsgericht einen Verfassungsverstoß, der gerichtlich geltend gemacht werden kann. Das liege ganz auf der Linie des „Urgenda“-Urteils. Frank, der auch an der Uni Bonn zum Thema „Internationales Klimaschutzrecht“ lehrt, betont:

„Ich bin zuversichtlich, dass sich diese Rechtsmeinung auch in Deutschland bis zum Bundesverfassungsgericht durchsetzen wird.“

„Es geht darum, Schaden zu verhindern“
Das neue Klimaschutzgesetz sei zwar ein Schritt nach vorne, aber es reiche noch nicht aus, so der Jurist. Der deutsche Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen müsse erhöht werden, damit das Ziel einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius erreicht werden könne und so die mit dem Klimawandel einhergehenden Risiken einigermaßen überschaubar bleiben. Mit steigenden Temperaturen nehme die Gefahr sich selbst verstärkender Prozesse und nicht mehr kontrollierbarer Folgen der Klimaerwärmung in unvertretbarer Weise zu. Ziel der jetzigen Verfassungsbeschwerden sei eine entsprechende Korrektur des Gesetzes. Undemokratisch seien solche Klagen sicher nicht, so Frank:

„Politik muss sich innerhalb der Grenzen der Verfassung bewegen. Teil dieses Rahmens sind die menschenrechtlichen Schutzpflichten des Staates. Klimaklagen können kurzfristig zwar einer Regierung das Leben schwer machen, langfristig dienen sie aber der Erhaltung der Grundlagen unseres Lebens in einer freiheitlichen Grundordnung. Klimaklagen sind daher ein geeignetes und legitimes Instrument, um der Politik Beine zu machen.“

sputniknews


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