Die ökonomischen Interessen hinter der Vernichtung von rund 1,1 Millionen Menschen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz dürfen nicht übersehen und vergessen werden. Das fordert die Berliner Historikerin Susanne Willems aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung des Lagers durch die sowjetische Armee am 27. Januar 1945. Sie ist Autorin des Buches „Auschwitz. Die Geschichte des Vernichtungslagers“.
Im einem Gespräch mit Sputniknews betonte die Historikerin, beim Blick auf ein solches, nicht vorstellbares Völkermordverbrechen sei die Versuchung verständlich, „den Grund für diesen kaum vorstellbaren Massenmord, wo immer Deutsche die Herrschaft hatten, in der rassistischen, ideologischen Verblendung zu suchen“. Die sei „aber allein nicht der Grund für diese Art von bürokratisch und arbeitsteilig vom deutschen Staat umgesetztes Verbrechen.“
Deshalb versuche sie mit ihrem Buch, die mit der menschenverachtenden rassistischen Ideologie gekoppelten ökonomischen Interessen zu zeigen. Letztere seien „in der Regel die bestimmenden und stärkeren“. Angesichts der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen sei es nötig, darauf hinzuweisen, „wo die Gefahren in einer Gesellschaft weiterhin sind, wenn ökonomische und rassistische Interessen ineinandergreifen.“
Lange Liste der Profiteure
Größter Partner der SS sei bekanntermaßen die in der IG Farben zusammengeschlossene deutsche Chemieindustrie gewesen. Die habe bei Auschwitz in ein „gigantisches Kunststoffwerk“ für die Nachkriegszeit investieren wollen. Das Projekt sei genehmigt worden, weil zugleich kriegswichtige Produkte produziert wurden. Für diese Produktion habe die KZ-Leitung im Februar 1941 10.000 Häftlinge als Arbeitskräfte zugesagt.
„Die Zusage an einen der wichtigsten deutschen Konzerne, unterstützt vom Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, bedeutete, dass das KZ einen Grund hatte, zu expandieren, also immer mehr Häftling aufzunehmen. Das war schlicht ein Handel mit dem IG Farben-Konzern: Der Konzern stellte der SS für den Ausbau des später als Stammlager bekannten KZ-Teil das Baumaterial zur Verfügung bzw. trat Kontingente für dieses Material ab, kürzte geringfügig das eigene Bauprogramm für Werkswohnungen und dafür wurden Zehntausende Plätze mehr im KZ geschaffen.“
Viele deutsche Unternehmen seien Partner der SS gewesen, vermittelt über das Rüstungsministerium unter Albert Speer ab Februar 1942, hob die Historikerin hervor. „Wahrscheinlich wäre es leichter, große Konzerne zu benennen, die keine Produktionsstätten im oberschlesischen Industrierevier oder in der Umgebung des KZ Auschwitz hatten.“ Auch staatliche Betriebe wie Stromproduzenten seien beteiligt gewesen. „Dafür wurde die Häftlingszahl erhöht und arbeitsfähige Häftlinge nach Auschwitz deportiert.“
Die Berliner Historikerin stützt sich unter anderem auf bisher unbekannte Dokumente in Moskauer Archiven, wo Akten der Zentralbauleitung Auschwitz liegen. Diese seien wahrscheinlich bis heute von niemandem vollständig gelesen worden.
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