DDR-Kritiker Rolf Henrich über die DDR und Ost-West-Konflikte gestern und heute

  08 Februar 2020    Gelesen: 710
DDR-Kritiker Rolf Henrich über die DDR und Ost-West-Konflikte gestern und heute

Mit seinem Buch „Der vormundschaftliche Staat“ über die DDR hat der Rechtsanwalt Rolf Henrich 1989 für Aufsehen gesorgt. Er war einer der schärfsten Kritiker des untergehenden Landes. Im Sputnik-Gespräch hat er auf die Ereignisse vor 30 Jahren zurückgeblickt. Zugleich zeigte er sich kritisch gegenüber heutigen Entwicklungen. Eine Ankündigung.

Rolf Henrich war zu DDR-Zeiten das, was im wahrsten Sinn ein System-Kritiker ist. Der Rechtanwalt wurde Mitte der 1980er Jahre vom Mitglied der Staatspartei SED zu einem ihrer schärfsten Gegner. In seinem 1989 veröffentlichten Buch „Der vormundschaftliche Staat“ analysierte und sezierte er das Herrschaftssystem der DDR, das von der verkündeten „Diktatur des Proletariats“ zur Diktatur einer Partei geworden war.

Henrich gehörte in den letzten Jahren des Landes zur Oppositionsbewegung und gründete im September 1989 die Plattform „Neues Forum“ mit. Auf die Ereignisse damals und im Jahr 1990 blickt der Anwalt in seinen Erinnerungen „Ausbruch aus der Vormundschaft“ zurück, die 2019 erschienen. Im Sputnik-Gespräch schilderte er seine Motive, beschrieb damalige Illusionen und kritisierte heutige Zustände.

Als bis heute bedeutendstes positives Ergebnis der Ereignisse vor rund 30 Jahren sieht er den Gewinn an persönlicher Freiheit für jene, die aus der DDR stammen. „Der Fall der Mauer bedeutet natürlich Unglaubliches. Das ist natürlich eine entscheidende Frage. Das bleibt auch.“

„Beide deutsche Staaten waren nicht souverän“
Henrich äußerte sich auch zur Situation des Landes im internationalen Gefüge: „Man kann ja die DDR nicht für sich allein betrachten. Man muss sie als Bestandteil des sozialistischen Lagers sehen. Die beiden deutschen Staaten waren ja auch nicht souverän.“ Den Menschen in der DDR sei klar gewesen, dass ihre Spielräume in Moskau bestimmt wurden. „Es ist ja kein Zufall, dass das komplette sozialistische Lager fast zeitgleich 1989/90 das Zeitliche gesegnet hat“, sagte Henrich.

„Ich sehe das Ländchen heute viel milder als ich es 1989 gesehen habe“, beschrieb er seinen heutigen Blick auf die DDR. Sie sei zu klein gewesen, um gegen die alte Bundesrepublik bestehen zu können. „Sie war ein Ergebnis des Zweiten Weltkrieges“, sagte er zur DDR, „aber die alte Bundesrepublik auch“.
Für ihn gehört der damalige geopolitische Konflikt zwischen West und Ost zu den Ursachen. Diesen gebe es aber heute wieder, fügte Henrich hinzu. Bis heute handele die Führung der USA nach dem außenpolitischen Prinzip „to keep the Russian out, the Americans in, and the Germans down“, sei ihm klar.

„USA wollen deutsch-russische Kooperation verhindern“
„Die Deutschen gegen die Russen in Stellung zu bringen, oder umgedreht, etwas Besseres kann doch Amerika gar nicht passieren.“ Davon zeuge der Konflikt um das Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Henrich stellte klar:

„Man kann den Russen manches vorwerfen, aber Eines nicht: Es gibt kein historisches Beispiel, wo sie im Hinblick auf die Versorgung mit Öl oder Gas vertragsbrüchig geworden sind.“

Die US-Interessen seien zuerst ökonomisch bedingt. „Die USA werden immer darauf aus sein und alle Mittel dafür einsetzen, dass es zwischen Deutschland und Russland nicht zu einer tiefgreifenden Kooperation kommt.“ Deutschland habe eigentlich keinerlei eigene ernsthafte Konflikte mit Russland, meinte Henrich.

Was er gegenüber Sputnik noch sagte, ist ab Samstag in einer dreiteiligen Serie zu lesen. Darin geht es darum, warum er in den 1980er Jahren über den „vormundschaftlichen Staat“ schrieb und das Neue Forum mitbegründete. Henrich beantwortete ebenso die Frage, warum der Herbst 1989 gewaltlos blieb und wie er die Rolle der Staatssicherheit sowie die der Medien dabei einschätzt.

Er äußerte sich auch zur heutigen Situation in Ostdeutschland und dazu, was er von Forderungen hält, die Ostdeutschen sollten selbstbewusster sein. Und er erklärte, warum er heute den bundesdeutschen Verfassungsschutz nicht weniger kritisiert als vor 30 Jahren das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), die „Stasi“.

sputniknews


Tags:


Newsticker