Dreiecks-Beziehung

  08 Februar 2020    Gelesen: 875
Dreiecks-Beziehung

Die Automobilgeschichte ist voll von irren Studien, die erst begeisterten und dann verschwanden. Wir zeigen die gewagtesten Visionen. Diesmal: eine fahrende Pyramide mit drei Sitzplätzen.

Die späten Siebzigerjahre waren eine harte Zeit für Citroen. Die futuristische Strahlkraft der 1955 vorgestellten DS war verblasst. Neue Modelle wie der Kleinwagen LN oder Visa hatten deutlich weniger Glanz. Vor allem standen sie auf Plattformen des einstigen Rivalen Peugeot, der den kriselnden Autohersteller Citroen 1975 in die PSA-Gruppe übernommen hatte. Das war die Situation vor dem Autosalon in Paris im Herbst 1980. Dort jedoch stellte Citroen ein Auto aufs Podest, das die desolate Situation schlagartig vergessen machte: den Konzeptwagen Karin.

Die Idee zu dem pyramidalen Prachtexemplar hatte Trevor Fiore, ein Brite mit italienischen Wurzeln, der zuvor unter anderem Autos für Aston Martin, DAF, Volvo und Alpine entworfen hatte. Im Januar 1980 stieg Fiore als Berater bei Citroen ein, wenige Monate später wurde er Designchef der Marke. Und wiederum wenige Monate später, im Oktober 1980, stand auf dem Autosalon in Paris der Citroen Karin.

Das Konzeptauto war in jeder Hinsicht schräg. Die Grundform der Karosserie glich einer Pyramide. Unter anderem führte das zum vermutlich kleinsten Dach der Autowelt, denn die eigentliche Dachfläche war lediglich so groß wie ein DIN-A3-Blatt. Die Fensterflächen wiederum waren enorm und die Frontscheinwerferbatterie - eine stilistische Erinnerung an den Citroen SM von 1970 - beeindruckend. Je eine Flügeltür links und rechts öffnete den Innenraum, in dem drei Sitze untergebracht waren. Vorn in der Mitte der Platz für den Fahrer. Daneben und leicht nach hinten versetzt jeweils ein Sitz für die Passagiere.
Unter der Karosserie steckte die Rettung für Citroen

Noch ungewöhnlicher als diese Anordnung, die 1992 etwa vom Serienmodell McLaren F1 übernommen wurde, war die Gestaltung des Cockpits und der Bedienelemente. Alle Anzeigen, Tasten und Schalter waren direkt hinter oder auf dem Lenkrad angeordnet. Dazu gab es auf jeder Seite einen so genannten Satelliten, der etwas über das Zweispeichen-Lenkrad hinausragte und weitere Bedienelemente enthielt. Als Wählhebel für das Automatikgetriebe fungierte eine Art Joystick. Der Fahrer hatte den Wagen also buchstäblich in zentraler Position vollständig im Griff.

So aufregend die Optik des Citroen Karin war, so durchschnittlich war die Technik. Das Auto verfügte über einen Vierzylinder-Benzinmotor, Frontantrieb und das Hydropneumatik-Fahrwerk des Citroen CX. Auf dieser technischen Basis erschien zwei Jahre später der Citroen BX, der zum Rettungswagen für die darbende Marke wurde. Das Auto verkaufte sich in zwölf Jahren Bauzeit mehr als 2,3 Millionen Mal und war damit der bis dahin erfolgreichste Citroen überhaupt. Immerhin tauchten vom Design des Konzeptautos Karin beim BX noch Elemente auf: nämlich die grundsätzlich geradlinig-steif geformte Karosserie sowie die halbverkleideten Hinterräder.

Der Citroen Karin - der Name war eine Kombination der Worte "car" (englisch für Auto) und "carina" (italienisch für hübsch) - war also nicht nur ein Lückenfüller in schwieriger Zeit, sondern durchaus auch ein Hinweis auf ein kommendes Modell. Heute ist das Konzeptauto Teil der Sammlung im "Conservatoire Citroen" in Aulnay im Norden von Paris. Das riesige Unternehmensarchiv inklusive angeschlossener Fahrzeugkollektion umfasst rund 400 Citroen-Modelle und ist für angemeldete Gruppen von Montag bis Freitag jeweils von 9.30 bis 13.30 geöffnet.

spiegel


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