Flucht sowjetischer Kriegsgefangener aus NS-Lager: In Deutschland wird der 75. Jahrestag begangen

  09 Februar 2020    Gelesen: 2235
    Flucht sowjetischer Kriegsgefangener aus NS-Lager:   In Deutschland wird der 75. Jahrestag begangen

Anlässlich des 75. Jahrestages der legendären Flucht der sogenannten Dewjatajew-Gruppe hat am Samstag eine feierliche Zeremonie in Peenemünde stattgefunden. Zehn sowjetischen Kriegsgefangenen, allen voran der Kampfpilot Mikhail Dewjatajew, gelang 1945 die Flucht mit einem deutschen Flugzeug aus dem NS-Arbeitslager Karlshagen I.

Die Gedenkveranstaltung, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Unbesiegt – Der Widerstand in den faschistischen Konzentrationslagern" stattfand, hat die „Alexander Pecherskij-Stiftung“ durchgeführt.

„Wir führen Veranstaltungen durch, die den Heldentaten von Sowjetbürgern in nationalsozialistischen Konzentrationslagern gewidmet sind. Das heutige Ereignis anlässlich der Flucht von Dewjatajew ist sehr symbolisch und nach dem Aufstand der sowjetischen Kriegsgefangenen in dem Vernichtungslager Sobibor vielleicht das eindrucksvollste Beispiel dafür, dass es keine solchen ausweglosen Situationen und unerträglichen Bedingungen gibt, unter denen der menschlichen Geist nicht imstande wäre, zu kämpfen und schließlich auch zu siegen“, sagte der Leiter der Alexander Pecherskij-Stiftung, Ilja Wassiljew, gegenüber RIA Novosti.

Wassiljew fügte hinzu, das Thema heroischer Widerstand von Sowjetbürgern in NS-Konzentrationslagern fehle leider „vollständig im Bewusstsein der westlichen Länder“. Der Leiter zeigte sich sehr erfreut darüber, dass neben russischen Diplomaten und dem Sohn von Dewjatajew, Alexander, auch deutsche Journalisten an der Zeremonie teilgenommen hätten.

Alexander Dewjatajew zufolge wurde sein Vater damals von „dem Glauben angetrieben, dass der Mensch Dinge zu leisten imstande ist, die für einen Menschen eigentlich unmöglich sein sollten“. Der Sohn sagte unter anderem, dass in einigen Tagen die Dreharbeiten zu einem Spielfilm über seinen Vater begingen würden.

Spektakuläre Flucht

Am 8. Februar 1945 kaperten zehn sowjetischen Häftlinge, angeführt von dem Leutnant und Kampfflieger der Roten Armee Mikhail Dewjatajew im Arbeitslager Karlshagen I einen Bomber vom Typ „Heinkel He 111“. An diesem Tag wurden die Kriegsgefangenen einem Arbeitskommando zugeteilt, dessen Aufgabe darin bestand, mehrere Bomber vom Typ Heinkel He 111 mit großen Tarnnetzen abzudecken. Dabei wurden sie nur von einem Wehrmachtsoldaten bewacht, den die Männer bei Beginn ihrer Fluchtaktion erschlugen.

Danach startete Dewjatajew einen der Bomber und die sowjetischen Häftlinge flogen los. Versuche von deutscher Seite, das Flugzeug abzufangen, schlugen fehl. Die Männer flogen in Richtung Südosten und überquerten nach einiger Zeit über Pommern die Frontlinie. Da sie in einem deutschen Bomber flogen, wurden sie von der sowjetischen Flak beschossen. Dewjatajew gelang es, den Bomber auf einer Wiese notzulanden.

Auf Seiten der sowjetischen Abwehr war man der Ansicht, dass eine Flucht ohne Zusammenarbeit mit der deutschen Seite unmöglich gewesen wäre. Dewjatajew wurde verdächtigt, deutscher Spion zu sein, und in eine Strafeinheit der Armee versetzt. So blieb Dewjatajew bis September 1945 in Haft und wurde immer wieder verhört.  Die Geflüchteten, von denen nur drei die Kämpfe um Berlin überlebten, sollen den sowjetischen Behörden wertvolle Informationen über das deutsche Raketenprogramm geliefert haben.

Das Arbeitslager Karlshagen I auf der Insel Usedom war eine Erprobungsstelle der Luftwaffe, wo vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene für den Bau der Raketen V1 und V2 eingesetzt wurden. Heute befindet sich dort eine Mahn- und Gedenkstätte für Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter.

mka/gs


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