Welche Rolle will Russland in Syrien spielen?

  13 Februar 2016    Gelesen: 961
Welche Rolle will Russland in Syrien spielen?
Einerseits hat Moskau einer raschen Feuerpause zugestimmt. Andererseits bombardieren russische Jets weiter Nordsyrien. Nun spricht Ministerpräsident Medwedew in München.
Es gibt einen Plan, die Waffen in Syrien zum Schweigen zu bringen – wenn er vielen auch als Illusion erscheint. Russland, die USA und wichtige Regionalmächte wie Iran, die Türkei und Saudi-Arabien haben in der Nacht zu Freitag in München verabredet, dass innerhalb einer Woche eine Feuerpause in dem Bürgerkrieg erreicht sein soll. Doch kaum jemand glaubt daran. Nicht nur, weil Syriens Präsident Baschar al-Assad sogleich sagte, er sei entschlossen, das ganze Land zurückzuerobern. Sondern auch, weil Russland sich zwar an den Friedensgesprächen beteiligt, zugleich aber die Truppen Assads und seiner Verbündeter mit massiven Bombenangriffen unterstützt.

An diesem Samstag nun kommt Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew nach München (hier der Live-Stream). Er wird dort vor der Sicherheitskonferenz sprechen, und man darf gespannt sein, wie er das Doppelspiel seiner Regierung in der Syrienfrage erklären wird.

Deutschland und Großbritannien hatten zuletzt an Moskau appelliert, die Zeit bis zu einer Feuerpause nicht für Angriffe auf gemäßigte Gegner Assads zu nutzen. Doch kurz nach der Einigung vom Freitag bombardierte die russische Luftwaffe schon wieder Orte nördlich der Stadt Homs. Mindestens 16 Zivilisten sollen getötet worden sein. Türkische Sicherheitsbehörden nahmen zudem weitere russische Angriffe in der Umgebung der nordsyrischen Großstadt Aleppo wahr.

"Russland wird Teil eines Religionskriegs"

Der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger geht davon aus, dass sich noch im Verlauf der Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende zeigen wird, ob der Syrien-Kompromiss trägt, "ob die Beteiligten es damit ernst meinen, ob die Waffen wirklich schweigen." Die syrische Opposition und gemäßigte Rebellengruppen misstrauen jedenfalls der Zusage Russlands.

Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist skeptisch. Sie warf der syrischen und der russischen Regierung vor, sie hätten in den vergangenen Wochen ein doppeltes Spiel betrieben. "Nämlich einerseits Aleppo begraben unter einem Bombenteppich und andererseits im Friedensprozess bei den Wiener Gespräche um Vertrauen werben."

Der Außenminister Saudi-Arabiens, Adel al-Jubeir, warnte Russland davor, Assad weiterhin zu unterstützen. "Wir haben die Russen darauf aufmerksam gemacht, dass sie zum Kombattanten eines Religionskrieges werden, wenn sie an der Seite Assads und Irans in diesen Konflikt eingreifen. Das ist sehr, sehr gefährlich." In Russland lebten 20 Millionen sunnitische Muslime. "Will das Land den Eindruck erwecken, dass es an der Seite von Schiiten gegen Sunniten kämpft? Russland hat nichts davon."

Die Kontaktgruppe, die den Plan zum Waffenstillstand verabredet hat, besteht aus 17 Staaten, darunter die USA, Russland, Deutschland, Saudi-Arabien, die Türkei und der Iran, sowie Vertretern der Vereinten Nationen, der EU und der Arabischen Liga. Eine Arbeitsgruppe unter Führung der USA und Russlands soll die Einstellung der Kämpfe überwachen.

Der Waffenstillstand soll für alle kämpfenden Parteien gelten – außer für den so genannten Islamischen Staat, den Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front und weitere Gruppen, die vom UN-Sicherheitsrat als "terroristisch" eingestuft wurden. Es sei "sehr wichtig" den Kampf gegen den IS fortzusetzen, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die USA fliegen weiterhin Luftangriffe gegen den IS.

UN-Ermittler suchen Schuldige für Giftgasangriffe

Unterdessen haben Ermittler der UN fünf Fälle ausgewählt, in denen im syrischen Bürgerkrieg Giftgas eingesetzt worden sein soll und Täter identifiziert werden könnten. Viermal soll Chlorgas in von Rebellen gehaltenen Gegenden verwendet worden sein, im fünften Fall geht es um den Einsatz von Senfgas. Sobald genügend Beweise gesammelt sind, wollen die Ermittler den Sicherheitsrat von ihren Erkenntnissen unterrichten.

Es geht um den mutmaßlichen Einsatz von Chlorgas, das mit Fassbomben am 11. und 18. April 2014 auf den Ort Kafr Zita in der Provinz Hama abgeworfen worden sein soll. Dieselbe Attacke soll es den Angaben zufolge auf die Dörfer Talmenes (21. April 2014) sowie Qmenas und Sarmin (beide 16. März 2015) in der Provinz Idlib gegeben haben.
Der fünfte Vorfall soll sich am 21. August 2015 in der strategisch wichtigen Stadt Marea nahe der türkischen Grenze zugetragen haben. Dort attackierten IS-Kämpfer Rebelleneinheiten. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen teilte dazu mit, ihre Inspektoren hätten Hinweise für den Einsatz von Senfgas an jenem Tag gefunden.

Die syrische Regierung weist den Vorwurf zurück, sie habe Giftgas eingesetzt. Die USA und andere westliche Staaten sehen das jedoch anders. Die UN-Ermittler hatten in ihren Berichten bisher 116 Vorfälle erwähnt, bei denen zwischen April 2014 und August 2015 mutmaßlich Chemikalien als Waffen eingesetzt worden sein sollen.

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