Chaos-Tage in Kabul

  22 Februar 2020    Gelesen: 884
Chaos-Tage in Kabul

Das Friedensabkommen zwischen den USA und den Taliban steht kurz vor der Unterzeichnung. Doch der Streit um die Präsidentschaftswahl destabilisiert Afghanistan weiter. Dem Land droht die nächste Krise.

Es könnte der Anfang einer neuen Ära sein. Ende des Monats wollen die USA tatsächlich mit den islamistischen Taliban einen Vertrag unterzeichnen, in Doha, im Emirat Katar. Die Unterschriften würden den sukzessiven Abzug der internationalen Truppen vom Hindukusch besiegeln. Im Gegenzug versichern die Taliban, dass sie künftig nicht mehr mit Terrorgruppen wie al-Qaida oder dem sogenannten "Islamischen Staat" zusammenarbeiten.

Nach dem Friedensschluss mit den Amerikanern sollen die Taliban auch Gespräche mit der afghanischen Führung aufnehmen. Fast zwanzig Jahre nach den Terroranschlägen von 9/11 und dem Beginn des Kriegs gegen die Taliban hört sich das zunächst nach einer positiven Wende an. Das Problem: Ob es wirklich dazu kommt, ist mehr als ungewiss.

Denn die Meldung über den Abschluss der Friedensverhandlungen zwischen den USA und den Taliban war nicht die einzige Nachricht zur Zukunft Afghanistans diese Woche: Die sogenannte Unabhängige Wahlkommission erklärte Aschraf Ghani zum Sieger der Präsidentschaftswahl im September 2019.

Und damit ist nun nicht einmal mehr sicher, ob die politische Klasse Afghanistans in der Lage sein wird, überhaupt ein gemeinsames Team zu formen, das die Gespräche führen könnte. Ihnen geht es gerade um etwas ganz anderes, nämlich: Wer regiert die nächsten fünf Jahre im Präsidentenpalast in Kabul? Denn mit der Entscheidung der Wahlkommission ist der monatelange Streit über die Bewertung fragwürdiger Stimmen nicht beigelegt.

Trotz Wahlsieger keine Stabilität
Ghani hatte bei der Wahl angeblich 50,64 Prozent der Stimmen erzielt - gerade genug, um nicht in die Stichwahl gegen seinen Herausforderer zu müssen. Abdullah Abdullah, der zu Taliban-Zeiten der sogenannten Nord-Allianz angehörte, die jahrzehntelang erbittert gegen die Islamisten kämpfte, erhielt angeblich 39,52 der Stimmen. Abdullah wies die Entscheidung der Wahlkommission am Dienstag umgehend als "illegal" zurück. Vor seinen Anhängern sagte er: "Wir verkünden unseren Sieg. Die heutige Ankündigung ist ein Putsch."

Dass sich die Lage rasch beruhigt, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Schon 2014 gab es Streit darüber, wer die Wahl tatsächlich gewonnen hatte. Nach einer vom Verlierer Abdullah angezweifelten Stichwahl diente dieser fortan in Ghanis Regierung als sogenannter Geschäftsführer. Die Idee, Abdullah an der Macht zu beteiligen, um eine unberechenbare Eskalation zu verhindern, kam vom damaligen US-Außenminister John Kerry. Ghani und Abdullah regierten daraufhin zusammen, wenn auch nicht gemeinsam. 

Jetzt aber will Abdullah den Verlust seines Amtes nicht hinnehmen. Die bittere Ironie: Diese Wahl dürfte trotz der Intransparenz die bisher sauberste in der kurzen Geschichte der afghanischen Republik gewesen sein. Dennoch kündigte Abdullah bereits die Bildung einer Gegenregierung an. Im politischen Kabul stehen die Zeichen nun auf Sturm.

spiegel


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