Gerät Deutschlands Demokratie in Gefahr wie einst in der Weimarer Republik?

  15 Februar 2016    Gelesen: 853
Gerät Deutschlands Demokratie in Gefahr wie einst in der Weimarer Republik?
Flüchtlingsheime werden attackiert. Im Netz und auf den Straßen tobt der Hass. Die Geschichte zeigt: Deutschlands Demokratie ist nicht unzerstörbar. Den Vergleich mit Weimar sei aber gefährlich, warnen Experten. Absurderweise kann er trotzdem etwas Gutes haben.
Angesichts der aktuellen Panikmache fühle er sich an das Klima der Weimarer Republik erinnert, äußerte unlängst der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Vor „Weimarer Verhältnissen“ warnte bereits im Dezember die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry im Hinblick auf „extremistische Gewalt“. Auch so mancher Journalist glaubt gegenwärtig auf die 1933 zu Grabe getragene erste deutsche Demokratie verweisen zu müssen.

Der Vergleich sichert zumindest eines: Aufmerksamkeit. Denn „wer von Weimar redet, meint Weimars Scheitern“ schrieb einst der Historiker Hagen Schulze. Und beschwört damit das, was auf die Republik folgte: Hitlers Diktatur, Weltkrieg, Holocaust. Kurz: die totale Katastrophe.

Wieder der „Sound of Weimar“ zu hören?

Ein schlimmeres Untergangsszenario ist kaum vorstellbar. Die Frage ist nur: Macht die Bezugnahme auf Weimar historisch gesehen wirklich Sinn? Zugegeben, es scheint aktuell Anklänge zu geben an die Zeit von damals: Vom Klima des Hasses bis hin zur Bedrohung Andersdenkender. Von der Verachtung des politischen „Systems“ und der Wut auf die „Lügenpresse“ bis hin zur Anwendung offener Gewalt.

Manchmal sei derzeit tatsächlich so etwas wie ein „Sound of Weimar“ zu hören, urteilt der Historiker Jürgen Zarusky vom Münchner Institut für Zeitgeschichte. Und doch, fügt er hinzu, sei es Unsinn, die aktuelle Situation in Deutschland mit derjenigen der späten Weimarer Republik gleichzusetzen. Dazu seien die strukturellen Unterschiede viel zu groß.

Ein „abwegiger Vergleich“

„Abwegig“ nennt der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke gar den Vergleich zwischen Weimar und heute. „Wir haben im Moment weder eine ähnliche ökonomische noch politische und politisch-kulturelle Krise wie Ende der 1920er- oder Anfang der 1930er-Jahre“, betont der Forscher.

Die Gesamtsituation der beiden deutschen Demokratien unterscheidet sich fundamental:
Dort die von der Niederlage im Ersten Weltkrieg überschattete Weimarer Republik, ökonomisch schwer gebeutelt und von großen Teilen der eigenen Eliten abgelehnt. Eine „Republik ohne Republikaner“, in der die radikalen Kräfte am Ende immer stärker wurden und die aus der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise keinen Ausweg fand.
Hier die seit fast sieben Jahrzehnten stabile Bundesrepublik, nach anfänglichem Misstrauen von der großen Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert, ökonomisch sowie politisch erfolgreich und trotz aller inneren Konflikte von einer Kultur des demokratischen Konsenses geprägt.

Verzerrung und Hysterisierung

Und trotzdem hat der Vergleich mit Weimar angesichts der fortdauernden Flüchtlingsdebatte Konjunktur. Eine Verzerrung und Hysterisierung, die besonders Pegida, AfD & Co. gut ins Konzept passt. Denn das Bild von den „Weimarer Verhältnissen“ suggeriert ein Versagen der parlamentarischen Demokratie sowie ihrer Eliten und malt ein apokalyptisches Szenario an die Wand.

„Dieser Missbrauch von Angst ist ein gebräuchliches Stilmittel radikaler Bewegungen“, erläutert Funke. „Aktuell beschwören Rechtspopulisten und Rechtsradikale den Untergang Deutschlands und des Abendlandes, um die Menschen zu verunsichern und dazu zu bewegen, den Feinden unseres freiheitlichen Rechtsstaates ihre Stimme zu geben.“

Den Anfängen wehren – mit klaren Argumenten

Im Gegensatz zur Weimarer Republik sehen Funke und Zarusky die heutige Demokratie allerdings nicht in Gefahr. Aber sie fürchten, dass rechte Hetzer und von ihnen aufgestachelte Teile der Bevölkerung das innenpolitische Klima nachhaltig vergiften könnten. „Auf lange Sicht kann das durchaus die Stabilität und Leistungsfähigkeit der Demokratie beeinträchtigen“, glaubt Zarusky. Wie schädlich innenpolitischer Hass und Blockadehaltungen seien, lasse sich im Moment eindrücklich am Beispiel der USA beobachten.

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