Herr Dreßen, Ihr Erfolg in Saalbach-Hinterglemm am 13. Februar war schon der zweite Abfahrtssieg in Serie. Was bedeuten Ihnen mit ein paar Wochen Abstand die beiden Siege bei Ihren "Heimspielen"?
Thomas Dreßen: Die Erfolgsgeschichte begann mit einem enttäuschenden Rennen in Kitzbühel. Ich habe in Kitzbühel geschaut, dass ich alles perfekt mache und da habe ich gemerkt, dass ich dann nicht mehr locker bin und auch keinen Spaß mehr habe. Da habe ich mir nachher gesagt, dass ich jetzt wieder mehr darauf schaue, Spaß beim Skifahren zu haben. Und dann wird man eh sehen, was dabei herauskommt. Dass es gleich wieder so gut läuft, hätte ich aber nicht erwartet.
Nach Ihrer langen verletzungsbedingten Pause wirkten Sie zuletzt noch leistungsstärker als je zuvor. Was waren die wichtigsten Lehren, die Sie aus Ihrer einjährigen Zwangspause gezogen haben?
Ich muss sagen, dass ich mich bis zuletzt körperlich topfit gefühlt habe. Beim Skifahren habe ich das Knie seit Neujahr auch nicht mehr gespürt. Zuletzt war es ein Problem in Bormio und vorher in Gröden, aber jetzt haben wir das mit therapeutischen Maßnahmen sehr gut in den Griff bekommen. Von der OP bis zur Rehabilitation konnte ich auf die Unterstützung von absoluten Fachleuten vertrauen. Ich habe die Programme konzentriert abgearbeitet und - was besonders schwer ist - auch die Pausen und Ruhezeiten eingehalten. Mit einem Sieg beim ersten Saisonrennen zurückzukehren hat dann aber alle meine Erwartungen übertroffen. Das war mehr als ideal, denn die Frage, ob ich wieder unter den besten der Welt landen kann, hatte sich damit für mich beantwortet.
Lassen Sie uns auf Ihren Abfahrtslauf in Saalbach-Hinterglemm zurückblicken: Das Rennen schien nach 15 Sekunden schon fast gelaufen, ehe Sie mit einem furiosen mittleren und unteren Streckenabschnitt noch vor Beat Feuz die Abfahrt gewannen. Was ging Ihnen kurz nach dem Starthang durch den Kopf, als es Ihnen fast den Ski unter dem Fuß wegzog?
Nach dem Fehler - ich hatte mich schon auf einen kontrollierten Sturz vorbereitet, weil ich dachte, jetzt schlägt es mir gleich den Ski auf - war mir klar, dass ich das Rennen im Kopf neu beginnen muss. Das habe ich dann auch getan und mich gut auf die Reststrecke fokussieren können. Vor allem, dass ich den unteren Teil, der mir liegt, gut erwische und technisch sauber fahre und nichts Besonderes versuche, um den Fehler zu kompensieren.
Nur einen Tag später gab es im Super-G direkt den nächsten Podestplatz. Wann gibt's in dieser Disziplin den ersten Weltcup-Sieg?
Damit beschäftige ich mich nicht. Im Super-G fehlen mir noch Rennkilometer. Hier muss alles zusammenpassen, dass ich mich vorne platzieren kann.
Wo sehen Sie bei sich noch am meisten Steigerungspotenzial?
Generell in der Konstanz. Das ist es, was ich erreichen möchte. Unabhängig von Strecke und Bedingungen konstant und technisch gut Ski zu fahren.
Wie lange hat es nach Ihrem schweren Unfall gedauert, bis Sie sich wieder voll auf das Rennfahren fokussieren konnten und der Sturz nicht mehr präsent war?
Ich habe mir den Sturz gleich noch in den USA angeschaut, um zu verstehen, wo der Fehler lag, dass es dazu gekommen ist. Danach war das Thema für mich abgehakt.
Was sind die wichtigsten Schritte für Sie gewesen, um nach einer derart schweren Schulter- und Knieverletzung wieder zur absoluten Weltspitze vorzustoßen?
Wie gesagt, die medizinische Versorgung und Betreuung war sehr gut. Und da bin ich auch sehr dankbar dafür. Ich glaube, das ist der Grundstock und die Basis, dass ich die Chance hatte, wieder so zurückkommen zu können. Klar, dass ich der Reha alles untergeordnet habe. Auch das Privatleben hat darunter gelitten. Aber meine Freundin hat großes Verständnis gezeigt und mich aktiv unterstützt.
Was sind Ihre Ziele für die verbleibenden Weltcup-Rennen in dieser Saison?
Ich möchte weiterhin technisch gut und locker Skifahren.
Sie sind mittlerweile der größte Star im deutschen Team und eine echte Größe im alpinen Skisport. Wie gefällt Ihnen der Trubel um Ihre Person?
Der hält sich in Grenzen, muss ich sagen. Klar, werde ich jetzt öfter auf der Straße erkannt, oder um ein Autogramm gebeten. Aber im Großen und Ganzen kann ich mein Privatleben leben. Und das ist mir sehr wichtig.
Mit Ihren fünf bisherigen Weltcup-Siegen sind Sie bereits der erfolgreichste Abfahrer aller Zeiten im deutschen Alpin-Sport. Was bedeuten Ihnen Ihre Bestleistungen?
Ich war selbst erstaunt, als ich das gehört habe. Ich muss aber sagen, dass ich als Aktiver nicht an Rekorde denke, sondern von Rennen zu Rennen. Wichtig ist für mich das 'Tagesgeschäft'.
Was sind Ihre größten noch unerfüllten Träume Ihrer Sportler-Karriere?
Dass es nicht bei den fünf Siegen bleibt!
Mit Thomas Dreßen sprach Mats-Yannick Roth.
Quelle: ntv.de
Tags: