Wie aus einem tiefen Schlaf aufgewacht meldet sich der Westen mit scheinbar antimilitaristischen Tönen. Hatte man was von Sorgen gehört oder gelesen, als die Israelis 2007 mal eben Luftangriffe auf syrisches Gebiet flogen? Gab es aus Washington oder Berlin Proteste, wenn die israelische Armee zum x-ten Mal die syrische Grenze überschritt und zum Beispiel im Januar 2015 dort einen iranischen General umbrachte? Haben sich die deutschen Medien verängstigt gemeldet, als US-Tarnkappenbomber, gemeinsam mit Personal aus Saudi-Arabien, aus Katar und anderen Terror-Finanzierungs-Staaten angeblich al-Quaida-Stellungen in Syrien bombardierten? Hat die NATO zur Bombardierung Syriens durch die Briten (im August) oder durch die Franzosen (im September) auch nur Bedenken formuliert? Dazu gab es keinen Ton. Denn im Denken des Westens ist ein primitiver Reflex angelagert: West-Bomben gut – Russen-Bomben böse.
Vor allem bangt die westliche Medien-Koalition um ihren Bündnispartner beim Regime-Change in Syrien, um die Freie Syrische Armee (FSA), die von russischen Bomben getroffen werden könnte. Nun ist es immer schwierig, eine Truppe zu treffen, die kaum existiert. Denn nach Einschätzung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Volker Wieker befindet sich die Freie Syrische Armee schon im Frühherbst 2013 als Kampfverbund in voller Auflösung. Zudem ist die FSA nur schwer von gewöhnlichen Islam-Terror-Gruppen zu unterscheiden. Das liegt an ihrer religiösen, sunnitischen Ausrichtung, aber auch an ihren Partnern: Man kooperiert mit Bataillonen der Muslimbrüder und Teilen der terroristischen Al-Nusra-Front, die sich nur wenig vom Islamischen Staat unterscheidet, sie konkurriert nur.
Dass die FSA mit Panzerabwehrwaffen aus Saudi-Arabien, Katar und Libyen ausgerüstet wurde, stört den Westen offenkundig nicht. Zwar kann man die arabischen Staaten getrost bei den islamischen Terror-Freunden einordnen, aber das verschweigt der Mainstream gern. Auch die Vorwürfe von Human Rights Watch gegen die FSA wegen Menschenrechtsverletzungen, ihre Rekrutierung von Kindersoldaten und die Klage der syrisch-orthodoxen Kirche wegen "ethnischer Säuberungen gegen Christen“ in Homs durch eine Einheit der FSA irritiert den Westen kaum. Selbst die Ausbildung der FSA-Kämpfer durch den türkischen Geheimdienst, der zeitweilig Waffen an al-Quaida lieferte, kann die wahren westlichen Demokraten nicht stören. Wenn also russische Bomben die Truppen der FSA treffen sollten, treffen sie Freunde des Westens und Partner des islamischen Terrors zugleich.
Schließlich haben die Russen im Auge des westlichen Betrachters einen weiteren Makel: Sie haben ihren Militär-Einsatz öffentlich und offiziell mit der syrischen Regierung abgestimmt. Das entspricht zwar dem Völkerrecht, aber da der Westen bisher völkerrechtswidrig in Syrien unterwegs war – denn für die Obama-Fraktion ist die syrische Regierung die falsche, sie muss also nicht gefragt werden – ist das russische Verhalten eine Blamage für den Westen.
Schon seit geraumer Zeit drängt die russische Regierung auf Verhandlungen mit allen Beteiligten am Syrien-Krieg. Aber so lange die USA den Präsidenten Syriens von Verhandlungen ausschließen will, zumindest solange ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht. Also wird weiter gebombt in Syrien. Und gleich wer bombt: Es siegt nur der Krieg.
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