96 Minuten waren gespielt im geisterhaften Prinzenpark in Paris als Schiedsrichter Anthony Taylor das Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League zwischen Paris St. Germain und Borussia Dortmund abpfiff. 96 Minuten, in denen Dortmund über weite Strecken mut- und harmlos agierte und am Ende verdient mit 2:0 (2:0) gegen aktivere Pariser verlor. 96 Minuten, die im leeren Stadion von Paris skurril wirkten: Jeder Zwischenruf der Spieler, jede Anweisung der Trainer, jeder Tritt gegen den Ball war zu hören. Nach dem Sieg war die Schadenfreude der Franzosen groß und so musste Dortmund nicht nur das schmerzliche Achtelfinal-Aus, sondern auch noch die Provokationen des Gegners aushalten.
Dortmunds Sturmjuwel Erling Haaland hatte seine beiden Tore im erfolgreichen Hinspiel, das die Dortmunder mit 2:1 für sich entschieden, mit einer Yoga-Pose auf dem Platz bejubelt. Im Rückspiel kopierte Stürmer-Star Neymar die Aktion nach seinem Treffer zum 1:0. Und das war noch nicht alles: Nach dem Spiel zeigte fast die gesamte Mannschaft die Pose. Thilo Kehrer, deutscher Nationalspieler und Rechtsverteidiger der Pariser, verteidigte seine Kollegen: "Man kann darüber diskutieren, ob das sein muss oder nicht. Aber ich finde das gehört irgendwo dazu. Da sind Emotionen dabei, und die muss man auch nicht verstecken", sagte der 23-Jährige am Sky-Mikrofon und ergänzt mit einem Augenzwinkern: "Das gehört zum Geschäft dazu, dass man sich ein bisschen revanchiert."
Für PSG-Trainer Thomas Tuchel ist der Sieg über seinen Ex-Arbeitgeber ein Triumph. Mit dem Einzug ins Champions-League-Viertelfinale entgeht Tuchel (vorerst) den Diskussionen um seinen Job. Nach drei Achtelfinal-Niederlagen in den letzten drei Champions-League-Jahren hätte ihn ein erneutes Ausscheiden trotz der erfolgreichen Meisterschaft wohl den Job kosten können. "Es war bis zum Ende hin ein spannendes Spiel. Am Ende haben wir das Ergebnis so erkämpft, dass wir weiterkommen und darüber sind wir überglücklich. Die ganze Stadt, die Fans haben alle lange darauf gewartet. Wenn man die Jubelbilder sieht, könnte man denken, das sei wie das Ende, aber es ist das Gegenteil. Das ist der Beginn und das merken die Fans, das merken die Leute im Verein und wir auch."
PSG aktiv, Haaland glanzlos
Borussia Dortmund verspielte an diesem merk- wie denkwürdigen Abend die große Chance auf das erste Königsklassen-Viertelfinale seit drei Jahren leichtfertig. Von dem Mut, der Leidenschaft und dem Zug nach vorne, der die vergangenen Spiele der Elf von Trainer Lucien Favre auszeichneten, war nichts zu sehen. Und da ließ sich die Elf von Ex-BVB-Trainer Tuchel nicht zweimal bitten und verwandelte nach 28 Minuten den deutlich höheren Ballbesitz in etwas Zählbares: Nach einer Ecke von Ángel di Maria löste sich Neymar von Dortmunds Achraf Hakimi und köpfte völlig frei stehend zum 1:0 für Paris ein.
Nachdem Dortmund sich in der Anfangsphase auf seine Defensivtaktik konzentriert hatte, musste die Elf von Favre nach dem Rückstand aufmachen: Mit Blick auf den Spielstand und das Auswärtstor der Franzosen in Dortmund, musste Schwarz-Geld jetzt dringend treffen - und wurde tatsächlich etwas aktiver. Youngster Jadon Sancho scheiterte in der 36. Minute mit einem Freistoß und in der 38. aus spitzem Winkel, Hazards Schuss ging ebenfalls daneben (41.). Und auch wenn der BVB von da an mehr versuchte als noch in der ersten halben Stunde: Favres Elf wirkte einfallslos und leistete sich einfach zu viele individuelle Fehler - und wurde direkt mit dem 0:2 durch Juan Bernat bestraft (45.+1).
Anders als im Hinspiel wurden die Franzosen ihrer Favoritenrolle durchaus gerecht. Und das auch ohne ihren erfolgreichsten Torschützen Kylian Mbappé, der wegen einer Erkältung zunächst auf der Bank saß. Nach seiner Einwechslung in der 64. Minute brachte der Weltmeister direkt Schwung in die Partie und sorgte für neue Impulse und Attraktivität im Pariser Aufbauspiel. Anders hingegen sein direktes Gegenüber: Dortmunds Stürmer-Juwel Erling Haaland blieb unter seinen Möglichkeiten, von ihm war über die gesamte Spielzeit nur wenig zu sehen, nur mit Glück entging er dann auch noch einer Gelb-Roten Karte: "Ich bin so enttäuscht wie nur möglich. Das war kein gutes Spiel. Wir wussten, dass es hart wird. Wir haben nicht getroffen, dann wird es schwer. Wir sind nicht in den Flow gekommen."
Favre und Zorc bewerten das Spiel unterschiedlich
Die Offensive der Schwarz-Gelben war zuletzt von Haaland geprägt - läuft es bei ihm nicht, scheint Dortmund kaum torgefährlich. Und so haderte auch Abwehrchef Mats Hummels vor allem mit der blassen Offensive: "Es war ein Spiel mit wenigen Torchancen auf beiden Seiten. Wir haben es nicht geschafft, genug Druck auf das Tor zu entwickeln. Wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass wir keine zwingenden Torchancen hatten. Paris war einfach einen Ticken stärker." BVB-Trainer Lucien Favre kritisierte vor allem die individuellen Fehler vor den Gegentoren: "Die Tore waren total unnötig. Auf diesem Niveau ist das sehr, sehr teuer."
Während Favre neben Kritik seiner Mannschaft trotzdem "kein schlechtes Spiel" bescheinigte, fand Sport-Chef Michael Zorc deutlichere Worte: "Wir waren heute nicht gut genug. PSG musste sich nicht großartig anstrengen diese beiden Tore gegen uns zu erzielen und offensiv waren wir zu harmlos, uns hat die Durchschlagskraft gefehlt."
Auch wenn sich die BVB-Zuständigen in der Bewertung der Partie offenbar nicht ganz einig sind, in einem Punkt gab es keinen Disput: Die Niederlage kann nicht mit den fehlenden Fans oder fehlender Stimmung entschuldigt werden. Trotzdem wirkte sich das "Geisterspiel" natürlich auf alle Beteiligten aus. "Es war sehr merkwürdig, aber für beide Mannschaften. Wir mussten uns beide darauf einstellen, das hat ein paar Minuten gedauert, dann ging es aber besser als erwartet. Der Anfang war aber schon sehr seltsam", beschrieb Mats Hummels die Situation am Abend. Doch daran müssen sich alle Spieler ab jetzt wohl gewöhnen.
Quelle: ntv.de
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