Merkel soll jetzt mal schön selbst regieren

  17 Februar 2016    Gelesen: 998
Merkel soll jetzt mal schön selbst regieren
In Europa scheint Merkel vor dem Flüchtlingsgipfel isoliert - und nun stellt auch noch die SPD ihren Flankenschutz ein. Die Parteispitze sorgt sich um das eigene Profil.
Das ist eh schon eine harte Woche für Angela Merkel. Keine Frage. In Brüssel muss sie ab Donnerstagmorgen für ihre Flüchtlingspolitik kämpfen. Erfolgsaussichten? Eher mau.

Gerade hat auch noch der französische Premier klargemacht, dass Paris keine zusätzlichen Flüchtlinge über die bisher vereinbarte Zahl hinaus aufnehmen werde. Die angestrebte europäische Kontingentlösung mit der Türkei rückt damit in immer weitere Ferne. Merkel scheint mehr und mehr isoliert.

Isolation - ein Gefühl, das die Kanzlerin nun aber auch beschleichen könnte, wenn sie an ihre eigene Berliner Regierungsmannschaft denkt. Denn merklich hat sich über die vergangenen Wochen und Tage der Sound beim Koalitionspartner SPD geändert.

Beispiel bockiges Frankreich: Wäre das nicht unter normalen Umständen ein Fall für die SPD? Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls gehören schließlich zur sozialdemokratischen Parteienfamilie; Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier verfügen über beste Kontakte zur französischen Führung.

Zwar haben die beiden vor einigen Tagen einen Brief an ihre Parteifreunde in der ganzen EU geschrieben, aber nun sehen sie offenbar keinen Anlass mehr, der Kanzlerin öffentlich beizuspringen. Von SPD-Außenpolitikern sind ebenso wenig kritische Äußerungen in Richtung Paris zu hören. Dann wenigstens interne Bemühungen? Nichts bekannt.

So drängt sich der Eindruck auf, der kleinere Koalitionspartner überlasse der Kanzlerin das Management beim EU-Rat. Ganz bewusst. Sozialdemokratischer Flankenschutz für die Kanzlerin bleibt aus.

Warum lässt die SPD Merkel allein? Was steckt dahinter?

Die Sozialdemokraten, das zeigt sich vor diesem so wichtigen Brüsseler Gipfel deutlicher als zuvor, verlieren zunehmend die Geduld mit der Kanzlerin. Dass Merkel an ihrem Kurs festhält, irritiert immer mehr führende Sozialdemokraten. Die SPD schaut mit Blick auf ihre Umfragewerte in einen Abgrund - vor allem für die drei anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Dass die SPD ebenfalls Wähler an die AfD verlieren mag, das wird auch dem Krisenkurs der Kanzlerin zugeschrieben.

Einmal hat Gabriel die Kanzlerin bereits hart attackiert

Parteichef Gabriel war ja schon vor Wochen so weit: Er wollte die Kanzlerin nicht mehr bedingungslos stützen, ohne dass diese erkennbare Fortschritte in der Lösung der Flüchtlingskrise erreicht.

Nach der Klausur des SPD-Vorstands im brandenburgischen Nauen vor knapp einem Monat nahm Gabriel sich Kanzlerin und CDU vor: "Was nicht geht, ist, dass Frau Merkel sich für die Einladung von über einer Million Flüchtlinge aus dem arabischen Raum feiern lässt, erklärt, wir schaffen das, und dann die CDU sich verabschiedet aus der Verantwortung für eine nachhaltige Integration."

Der Eindruck Gabriels war schon damals, dass die SPD vor allem beim zweiten Schritt der Flüchtlingspolitik, nämlich der Integration, dumm dasteht: Merkel redet, die SPD macht einen Vorschlag nach dem anderen - aber es passiert nichts, weil CDU und CSU zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind.

Doch Gabriel beließ es bei diesem einmaligen Angriff auf die Kanzlerin: Das könne die SPD Glaubwürdigkeit kosten, wurde dem Parteichef aus den eigenen Reihen klargemacht. Auch wenn insbesondere Gabriel frühzeitig Zweifel plagten - die Kanzlerin rechts zu überholen, das schien stets ausgeschlossen.

Daran hat sich nichts geändert, allerdings ist die Unzufriedenheit innerhalb der SPD binnen vier Wochen nochmals gewachsen: Der Landtagswahl-Sonntag könnte für die SPD-Führung zum Desaster werden. Also versuchen Gabriel und Co. zu retten, was zu retten ist. Deshalb wandelt sich der Sound.

Ein schwieriger Zweiklang für die SPD

Heraus kommt eine Art Zweiklang: Einerseits Merkel weiter unterstützen, denn auch die SPD will ja eine Lösung der Flüchtlingskrise auf europäischer Ebene. Andererseits: Distanz wahren, das eigene Profil schärfen.

Beispiel: "Wer von Integration redet und über die Finanzierung schweigt, der belügt die Bevölkerung", sagte Parteichef Gabriel erst am Montag. Bei einem Interview seiner Generalsekretärin Katarina Barley mit Radio Eins durfte sich Merkel am Dienstag dann sogar direkt angesprochen fühlen: Man könne nicht sagen, "wir öffnen die Grenze für eine Million Leute und dann so tun, als würde das nichts kosten".

Ob`s der SPD nutzen wird? Unklar. Klar ist nur: Die Worte erinnern an nicht allzu ferne Zeiten, an Merkels erste Große Koalition. Da warnte Hubertus Heil, damals SPD-Generalsekretär: "Es darf nicht so sein, dass die CDU winkend auf dem Sonnendeck steht und die SPD im Maschinenraum die Arbeit macht und schwitzt."

Geändert hat sich an diesem Eindruck aus SPD-Sicht bis heute nichts. Denn meist profitierte am Ende ja Merkel, egal, was die SPD auch tat. Könnte das in der Flüchtlingskrise anders laufen? Denn auch ihre Umfragewerte leiden ja diesmal.

Die Kanzlerin ist allerdings klug genug, die Erwartungen an den EU-Gipfel schon im Vorfeld herunterzuschrauben. So nutzte sie am Dienstag einen Auftritt mit Israels Premier Benjamin Netanyahu in Berlin, um ausführlich darauf hinzuweisen, dass es jetzt "wahrlich nicht" bereits um die Kontingentlösung mit der Türkei gehe. Da würde man sich angesichts von bislang tausend innerhalb der EU verteilten Flüchtlingen "ziemlich lächerlich machen", so Merkel.

Mit anderen Worten: Der eine oder andere Flüchtlingsgipfel wird noch folgen.

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