Winter- oder Sommer-EM - was ergibt Sinn?

  17 März 2020    Gelesen: 875
  Winter- oder Sommer-EM - was ergibt Sinn?

Die Uefa ruft zur Krisensitzung. Alle, die im europäischen Fußball mitreden, konferieren am Dienstag. Es geht um das größte kontinentale Sportereignis: die EM. Die geplante Ausrichtung im Sommer erscheint illusorisch. Aber auch eine Verlegung in den Winter oder den Sommer 2021 ist nicht unproblematisch.

Auch Joachim Löw blickt nach Nyon. Am Dienstag entscheidet dort die Europäische Fußball-Union über die Verlegung der Fußball-Europameisterschaft 2020. Die Ausrichtung in zwölf Ländern im Sommer (12. Juni bis 12. Juli) erscheint aufgrund der Coronavirus-Pandemie illusorisch. „Ich rechne fest mit einer Verlegung des Turniers“, sagte DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius in der ARD. Offen ist, in welchen Zeitraum. In den Winter 2020? Oder den Sommer 2021? Eine Komplett-Absage kann sich die Uefa kaum leisten. Auf den Bundestrainer kommt in jedem Fall eine lange Pause zu - die DFB-Elf wäre erst wieder am 3. September zum Start der neuen Nations League gegen Spanien im Einsatz.

Wer entscheidet? Geplant sind mehrere Telefonkonferenzen. An der Elefantenrunde am Vormittag sollen Vertreter der 55 Uefa-Mitgliedsverbände sowie die Führungsriegen der Klub-Vereinigung ECA, des Ligen-Interessenverbundes European Leagues und der Spielergewerkschaft FIFPro teilnehmen. „Die Diskussionen umfassen alle nationalen und europäischen Wettbewerbe, einschließlich der EM 2020“, teilte die Uefa mit. Es gibt viel Redebedarf. Für den deutschen Fußball nimmt DFB-Vizepräsident Rainer Koch, aus dem Kreis der europäischen Topvereine BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke teil. Im Anschluss will das Uefa-Exekutivkomitee angeführt von Uefa-Präsident Aleksander Ceferin in einer Videoschalte die Ergebnisse beraten - und eine Entscheidung treffen.

Was sind die Hintergründe? Ein EM-Eröffnungsspiel in Rom in weniger als drei Monaten ist nicht vorstellbar. Italien ist abgeriegelt, an Fußball derzeit in kaum einem europäischen Land zu denken. Auch nicht in München - die bayerische Landeshauptstadt war als Ausrichter von drei Gruppenspielen und einem Viertelfinale ausgewählt worden. Außerdem wurden Amsterdam, Kopenhagen, Bilbao, St. Petersburg, Bukarest, Budapest, Baku, Glasgow, Dublin und London als Gastgeber bestimmt. Alle werden von der Uefa-Entscheidung betroffen sein und entsprechend mitreden wollen. Im Grunde gibt es - von der kompletten Absage des Turniers abgesehen - zwei Szenarien, die aber jeweils weitere Probleme mit sich bringen.

Kalter Winter oder Klub-WM-Verschiebung?

Was wäre im Winter? Diskutiert wird laut übereinstimmenden Medienberichten über die Verlegung des paneuropäischen Turniers in den kommenden Herbst/Winter. Das Championat würde dann fast genau zwei Jahre vor der WM 2022 in Katar ausgetragen werden. Dafür müssten aber fast alle europäischen Ligen ihren bereits festgezurrten Zeitplan für die Saison 2020/21 ändern und die Spielzeit für die EM unterbrechen. Noch komplizierter ist das momentan, weil niemand mit Sicherheit sagen kann, ab wann und wie wieder regulär gespielt werden kann, wie überhaupt die aktuelle Saison 2019/20 beendet werden soll. Für die Katar-WM muss der Fußball-Kalender aber ohnehin umgeschmissen werden, auch wenn eine weniger abrupte Umstellung geplant war. So könnte die Winterpause nach der EM verlängert und die kommenden beiden Saisons könnten bis tiefer in den Sommer hinein ausgetragen werden. Für Fans wäre eine Winter-EM aber nicht gerade angenehm: Erstens würden winterliche Temperaturen (im Dezember herrschen in St. Petersburg -1 bis -6, in Budapest, 3 bis -2 und Kopenhagen 4 bis 1 Grad Celsius) weder zum Stadionbesuch noch zum Public Viewing oder zum Reisen durch Europa einladen. Zweitens dürften, selbst wenn der Coronavirus bis zum Winter besiegt wäre, die meisten Anhänger im November und Dezember noch sehr verunsichert sein und Menschenmassen lieber aus dem Weg gehen.

Also doch im Sommer, aber eben 2021? Logisch erscheint die Verlegung ins nächste Jahr. Alle Teilnehmer und Gastgeber hätten ähnliche Voraussetzungen wie es sie in diesem Sommer gegeben hätte. Nur würde die EM mit der neuen Klub-WM des Weltverbandes Fifa kollidieren, die im Sommer 2021 in China ihre Premiere feiern soll. Die Uefa müsste hart mit Fifa-Präsident Gianni Infantino verhandeln, der seit Monaten mit millionenschweren Preisgeldern um die Top-Klubs wirbt. Lenkt er ein und verschiebt sein eigenes Turiner, könnte die Uefa der Fifa mit der Abstellung mehrerer Top-Klubs entgegenkommen. Die Klub-WM könnte auf jeden Fall im Sommer 2022 stattfinden, weil die WM in Katar auf den europäischen Winter terminiert ist. Ebenfalls müsste bei einer EM im Sommer 2021 das Finalturnier der Nations League verlegt werden. Aber ob alle deren Spieltage im Herbst dieses Jahres überhaupt stattfinden können, hängt auch von der Entwicklung des Coronavirus ab.

EM-Verlegung und trotzdem keine Bundesliga?

Welche Vorteile hat eine Verlegung? Unabhängig davon, ob die EM in den Winter oder Sommer verlegt wird - die nationalen Ligen hätten einen Monat mehr Zeit, einen Weg aus der Coronavirus-Krise zu finden. Statt Ende Mai müsste erst Ende Juni Schluss sein, die meisten Spielerverträge enden am 30. Juni. Ob das ausreicht, scheint fragwürdig. Die Krisenlage ändert sich ständig. Experten rechnen nicht damit, dass die steigenden Temperaturen im Sommer zu einer erheblichen Verbesserung beitragen. Deutschlands Fußball-Profiligen pausieren nach dem DFL-Beschluss von Montag mindestens bis zum 2. April. Dass aber in Städten, die nach und nach mehr und mehr heruntergefahren und geschlossen werden, schon in zwei Wochen wieder Fußball gespielt werden soll, darf angezweifelt werden.

Möglicherweise wird die EM also verlegt, und es wird trotzdem in den Ligen kein Fußball gespielt. Dann könnten sogar auch Forderungen nach einer Anpassung der Saisons in den wichtigsten europäischen Ligen an das Kalenderjahr laut werden. Auf der Rechnung haben sollte man zudem mögliche Zwischenlösungen der Uefa. Möglicherweise wird die EM nach der Videoschalte nur auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben, sodass der Europa-Verband mehr Zeit für Absprachen mit den Ligen und der Fifa hat.

Quelle: ntv.de, dbe/dpa


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