Die Corona-Pandemie verschärft offenbar auch eine weitere Katastrophe, allerdings vergleichsweise unbemerkt von der Öffentlichkeit: Die Zerstörung des Tropenwaldes hat im Schatten der Lockdown-Maßnahmen massiv zugenommen - und zwar weltweit.
Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Umweltstiftung WWF hervor, für die sie Satelliten-Daten der University of Maryland auswertete (den Bericht finden Sie hier). "Alles deutet darauf hin, dass wir es bei der explodierenden Waldzerstörung mit einem Corona-Effekt zu tun haben", sagt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland. Die Fläche der Tropenwälder in den 18 untersuchten Ländern schrumpfte demnach allein im März um 6500 Quadratkilometer, das entspricht in etwa dem Siebenfachen der Fläche Berlins.
Im Vergleich zu den Vorjahren bedeutet das einen Anstieg der Rodungsgeschwindigkeit um durchschnittlich 150 Prozent. Am stärksten betroffen waren im März demnach Indonesien mit mehr als 1300 vernichteten Quadratkilometern Regenwald, der Kongo mit 1000 Quadratkilometern und Brasilien mit 950 Quadratkilometern. Das nichtstaatliche brasilianische Amazonas-Forschungsinstitut Imazon hat in Amazonien für April ähnliche Zahlen ermittelt: Die in der Region abgeholzte Fläche lag demnach bei 529 Quadratkilometern - ein Anstieg von 171 Prozent im Vergleich zum April des vergangenen Jahres.
Dem Imazon mit Sitz in Belém zufolge könnten viele der Abholzungen des größten Regenwaldes der Welt von Eindringlingen vorgenommen worden sein, die noch keine Landtitel besitzen. Der Wissenschaftler Carlos Souza, der die Veränderung des Amazonas-Waldes untersucht, sagte: "Zuerst nehmen sie die öffentlichen Flächen ein und danach versuchen sie, diese Gebiete legal zu bekommen."
Der Einfluss der Coronakrise auf die Entwicklung ist offenbar indirekt: Während die Umweltbeamten in ihrer Arbeit in Brasilien und in anderen Ländern durch die Pandemie stark eingeschränkt werden, machen illegale Holzfäller und Plünderer anderer Ressourcen einfach weiter. Vielerorts nutzen die Menschen den Wald nach WWF-Angaben auch aufgrund wegbrechender Jobs als Einnahmequelle.
Finanzielle und technische Unterstützung könnten dazu beitragen, die Zerstörung einzudämmen. Wie bei den verheerenden Bränden in Amazonien im vergangenen Jahr, als führende europäische Politiker damit drohten, das Abkommen zwischen der EU und dem gemeinsamen Markt Südamerikas Mercosur platzen zu lassen, sind jedoch die internationalen Handelsbeziehungen einer der entscheidenden Hebel.
Rund ein Sechstel aller in der Europäischen Union gehandelten Lebensmittel tragen nach WWF-Angaben zur Entwaldung in den Tropen bei. Christoph Heinrich: "Der Schutz der Wälder ist eine gemeinsame Aufgabe, der sich niemand entziehen kann."
spiegel
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