Für uns Journalisten sind Donald Trump und Franziskus Geschenke des Himmels. Beide produzieren in Serie vermeintlich starke Sätze, bei denen sich selbst die Wohlgesonnensten fragen, ob die beiden wissen, was sie sagen und tun. Im Falle von Papst Franziskus jedoch muss eingeräumt werden: Vieles von dem, was er während seiner Pressekonferenzen über den Wolken von sich gibt, haben andere Päpste inhaltlich auch schon gesagt – nur schriftlich, manchmal mit Fußnoten versehen und bereinigt vom Makel der Spontaneität.
Dass Franziskus etwa auf dem Rückweg von Mexiko Verhütung aus Angst vor dem Zika-Virus erlaubt, ist in der Sache so ungewöhnlich nicht. Von Paul VI. bis zu Benedikt XVI. haben Päpste immer wieder Verhütung in Ausnahmesituation als rechtens bezeichnet. Der Unterschied ist der Stil: Statt jedes Wort zu wägen, redet Franziskus drauflos, als gäbe es keine Weltöffentlichkeit, zu der er spricht. Das Ungewöhnliche und Faszinierende daran ist: Hier kann man einem Papst bei der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden zusehen. Und so hüpfen über den Wolken die päpstlichen Gedanken von Zika über die Verhütung zur Abtreibung, gefolgt von einem kaum mehr nachvollziehbaren Vergleich mit den Morden der italienischen Mafia, für den Benedikt XVI. als Papst von der Weltöffentlichkeit gegrillt worden wäre.
Doch scheinbar hat die Weltöffentlichkeit so sehr auf einen Papst zum Anfassen und Liebhaben gewartet, dass seine selbstbewusst vorgetragene Fehlbarkeit ihn nur umso echter und liebenswerter erscheinen lässt. Dabei gibt es, das hat die jüngste Pressekonferenz über den Wolken gezeigt, durchaus auch einige weniger liebenswürdige Züge an Franziskus. So sagte der Papst beispielsweise: "Ein Bischof, der einen Priester in eine andere Pfarrei versetzt, wenn ein sexueller Missbrauch an Minderjährigen entdeckt wird, ist einer, der keine Ahnung hat, und das Beste, was er tun kann, ist, seinen Rücktritt einzureichen."
Für sich genommen wäre der Satz nicht weiter erwähnenswert, gäbe es mit dem chilenischen Bischof Juan Barros Madrid und dem australischen Kurienkardinal George Pell nicht zwei Würdenträger aus dem Umfeld des Papstes, die in der Vergangenheit Missbrauchs-Fälle vertuscht haben sollen. Den Chilenen Juan Barros Madrid hatte Franziskus im März 2015 allen Vorwürfen und Protesten von Opferverbänden und Politikern zum Trotz überhaupt erst zum Bischof von Osorno ernannt. Den Australier George Pell machte er 2014 sogar zum Präfekten des neu geschaffenen Wirtschaftssekretariats im Vatikan und berief ihn auch nicht ab, als ein Jahr später ein Mitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission Pell wegen angeblicher Vertuschung von Straftaten als "unhaltbar für den Vatikan" bezeichnete.
Und wann kommt die Pointe?
Doch das alles ist für Papst Franziskus über den Wolken scheinbar nicht der Rede wert. Schlimmer noch: Es fragt ihn niemand danach. Nicht nur Franziskus scheint sich daran zu berauschen, wohin die Gedanken ihn beim Reden tragen. Auch die Journalisten folgen seinen verbalen Hüpfern und Ausrutschern und warten begierig auf die Pointe, die sich irgendwann vielleicht am Ende der Gedenkkette abzeichnet.
Man kann das durchaus eine Taktik nennen: Franziskus redet, wenn die Luft dünn wird, so lange über Alles und Nichts, bis sich kein Journalist im Flugzeug mehr fragt, ob es nicht auch Dinge gibt, über die selbst Papst Franziskus nicht reden will, obwohl er darüber eigentlich mal reden sollte. Natürlich ist die Taktik riskant. Der Papst könnte sich verplappern und – ob aus Sauerstoffmangel, Leichtfertigkeit oder warum auch immer – wirklich etwas von Bedeutung verraten. Spätestens dann wäre es mit der Plauderei wohl vorbei. Dann bekäme Franziskus für die nächste Reise als Geschenk von seiner Kurie eine Yacht.
Tags: