"Die CDU muss klarstellen, dass sie nicht erpressbar ist"

  30 Mai 2020    Gelesen: 824
"Die CDU muss klarstellen, dass sie nicht erpressbar ist"

Der Ärger über die Wahl Barbara Borchardts zur Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern ebbt nicht ab. Norbert Röttgen kritisiert die Entscheidung scharf - und stellt sich gegen die CDU-Parteifreunde im Nordosten.

Selten hat die Besetzung einer Richterstelle in einem Bundesland deutschlandweit solch harsche Reaktionen ausgelöst: Die Wahl der Linkenpolitikerin Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern schlägt auch nach zwei Wochen noch hohe Wellen.

Nun kritisiert Norbert Röttgen, der sich um den Vorsitz der CDU bewirbt, die Wahl scharf. "Die Verfassungstreue von Verfassungsrichtern muss über jeden Zweifel erhaben sein", sagte der CDU-Politiker dem SPIEGEL. "Das ist bei Frau Borchardt nicht erfüllt. Sie ist ja tatsächlich ein Fall für den Verfassungsschutz."

Borchardt war in Mecklenburg-Vorpommern bereits stellvertretendes Mitglied des Landesverfassungsgerichts. Dann wurde das einstige SED-Mitglied Mitte Mai im zweiten Anlauf mit Zweidrittelmehrheit zur Verfassungsrichterin gewählt - von Abgeordneten der SPD, Linken und auch der CDU.

Röttgen kann die Unterstützung seiner Parteifreunde für Borchardt nicht nachvollziehen: "Die CDU muss ein für alle Mal klarstellen, dass sie in solchen Fällen nicht erpressbar ist. Es darf keine Stimme, keine Unterstützung und keine Kooperation mit Extremen jeder Couleur geben."

Ähnlich hatte sich bereits nach Borchardts Wahl die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer geäußert. Es sei "nicht nachvollziehbar", dass "vonseiten der CDU und SPD nicht sorgsam genug über die Eignung der Kandidatin gesprochen wurde", sagte sie.

Borchardt ist Mitglied der Parteiströmung "Antikapitalistische Linke", die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Sie hatte nach ihrer Wahl gesagt, sie wolle auch weiterhin Mitglied der Vereinigung bleiben. Das löste Kritik aus. Für noch mehr Irritationen sorgte ein Interview Borchardts mit der "Süddeutschen Zeitung" in dieser Woche. "Es gab Mauertote auf beiden Seiten, es sind auch Grenzsoldaten erschossen worden", sagte Borchardt in dem Gespräch.

Auf den Einwand, es seien sehr viel mehr Menschen wegen sogenannter Republikflucht getötet worden, antwortete sie: "Das will ich gar nicht abstreiten. An dieser Tatsache gibt es auch nichts zu rechtfertigen."

Der CDU-Politiker Marco Wanderwitz, Ostbeauftragter der Bundesregierung, reagierte im "Redaktionsnetzwerk Deutschland" empört auf Borchardts Äußerungen: "Wer so die Opfer der Diktatur verhöhnt, ist an einem Verfassungsgericht fehl am Platz." CSU-Generalsekretär Markus Blume bezeichnete auf Twitter Borchardts Rücktritt als unausweichlich. Wie Röttgen nannte er Borchardt einen "Fall für den Verfassungsschutz".

Röttgen ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Er kandidiert neben Armin Laschet und Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz, den Kramp-Karrenbauer abgeben will. Eigentlich sollte ihr Nachfolger bereits auf einem Sonderparteitag am 25. April gewählt werden. Wegen der Coronakrise wurde der Termin abgesagt. Ein neuer Vorsitzender soll nun voraussichtlich im Herbst gewählt werden. Röttgen gilt bei der Abstimmung als Außenseiter.

spiegel


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