Tesla Model Y - E-SUV mit Gimmicks

  07 Juni 2020    Gelesen: 2066
  Tesla Model Y - E-SUV mit Gimmicks

Das Model Y ist so spannend wie früher das Yps-Heft – und je länger man damit fährt, desto mehr Gimmicks entdeckt man. Nicht dass einen ein Kaminfeuer oder ein Furzkissen wirklich weiter bringt, aber es ist witzig. Und warum nicht lachend die Welt retten?

Erinnert sich noch jemand an das Yps-Heft? Zu seinen besten Zeiten war das Comic-Magazin so beliebt, dass die Kids beim Zeitungskiosk Schlange standen. Das ist zwar mittlerweile über 30 Jahre her, doch dafür soll jetzt ein anderes Ypsilon die groß gewordenen Kinder von einst elektrisieren.

Denn unter diesem Namen bringt Tesla sein wahrscheinlich aussichtsreichstes Modell in den Handel und will mit diesem halbwegs handlichen und beinahe bezahlbaren Akku-Auto der Elektromobilität endgültig denn Boost geben, den sie mit Blick auf das Konjunkturpaket auch bracht. Und genau wie damals im Heft haben die Entwickler im Auto ein paar geniale Gimmicks versteckt.

Unsereins wird die allerdings erst spät entdecken – zumindest offiziell. Weil Tesla die Autos für Europa in der Fabrik in Brandenburg bauen will, kommt der Hoffnungsträger frühestens Mitte nächsten Jahres über den Atlantik und damit auch für den doppelten Bonus, den das Konjunkturpaket verspricht, zu spät.

Doch eines der ersten Autos aus der durch Corona dramatisch verzögerten US-Produktion hat es bereits nach Europa geschafft und mit der tatkräftigen Unterstützung des Youtubers und Elektro-Missionars Stefan Moeller von Nextmove haben wir uns für eine erste Ausfahrt hinters Steuer geklemmt.

Wie ein abgegriffenes Stück Seife

Zwar mag das Model Y zum Shooting Star auf der Electric Avenue werden und sich besser verkaufen als Model S, X und 3 zusammen. Doch auf den ersten Blick sieht es ziemlich unspektakulär aus – glatt und schnörkellos wie ein abgegriffenes Stück Seife und den anderen Teslas zum Verwechseln ähnlich. Erst im direkten Vergleich mit dem Dreier erkennt man, dass es sechs Zentimeter länger, sieben Zentimeter breiter und vor allem 18 Zentimeter höher ist. Aber auch das neue Format macht aus dem viertürigen Coupé auf Stelzen keinen rustikalen Geländewagen, aber die sind ja ohnehin von gestern.

Auch drinnen kommt einem das Model Y ziemlich vertraut vor: Genau wie im Dreier ist das Cockpit absolut clean und außer den Türöffnern und Fensterhebern gibt es keinen einzigen Schalter mehr, sondern allein den riesigen Touchscreen, der wie ein XXL-Tablet über der Mittelkonsole zu schweben scheint. Und dass man ein bisschen höher sitzt, das merkt man zwar beim Einsteigen, aber leider nicht beim Rausschauen – denn auch von hier oben kann man zum Beispiel den Bug des Tesla nicht sehen. Nur gut, dass es ringsum Kameras gibt.

Auch beim Fahren spürt man kaum einen Unterschied zum Model 3, das gerade mal 1500 Euro billiger ist – erst recht nicht, wenn man im Top-Modell mit Performance-Setup unterwegs ist: Bei zwei Motoren mit zusammen angeblich 450 PS – nichts Genaues verrät Tesla - ist es egal, ob das Auto jetzt ein, zwei Zentner mehr oder weniger wiegt und man sucht sich besser ein freies Stück Straße für den ersten Kickdown. Denn wenn das Model Y beschleunigt und in 3,7 Sekunden auf Tempo 100 sprintet, hat sogar ein Elfer das Nachsehen. Und selbst wenn das SUV mit maximal 241 km/h nicht ganz so schnell ist wie die Limousine, fährt sie, vom Taycan einmal abgesehen, allen anderen Elektroautos aus europäischer Produktion locker und lässig davon. Das aber auch nicht lange, denn solche Ausritte reißen förmlich die Energie aus dem Akku.

Fühlt sich an wie ein Model 3

Während sich das Model Y für den Fahrer außer beim bequemeren Einsteigen anfühlt wie ein Model 3 und man selbst von dem bisschen mehr Bodenfreiheit nichts spürt, weil die Batterien den Schwerpunkt trotzdem auf Sportwagen-Niveau senkt, hat das SUV für die Hinterbänkler deutlich mehr Sexappeal. Denn mit der Dachhöhe steigt spürbar die Kopffreiheit und das Raumgefühl ist rundherum besser. Außerdem kann man – wenn auch ein bisschen umständlich – jetzt die Neigung der dreigeteilten Rücklehne verstellen und deshalb bequemer sitzen.

Nur wie in den zugegebenermaßen stattlichen Kofferraum und der elektrischen Heckklappe noch die versprochene dritte Sitzreihe passen soll, das bleibt ein Geheimnis von Elon Musk, das allenfalls Grundschüler irgendwann mal ergründen können. Aber genau so, wie seine Software-Ingenieure im Infotainment-System ein Kaminfeuer und ein virtuelles Furzkissen versteckt haben, werden sie schon auch dieses Gimmick noch ins Gepäckabteil friemeln und dem Yps-Image gerecht werden. Und wenn sie nebenbei auch noch eine Gepäckraumabdeckung entwickeln, wissen Spießer künftig auch wohin mit ihrem Hut.

Der Antrieb ist bekannt

Aufbau und Auftritt sind neu, doch den Antrieb kennen wir vom Model 3: Es gibt auch die sexy Alternative zum Model 3 zunächst mit zwei Motoren und unterschiedlichen Leistung: Auf Reichweite optimiert, schafft das Model Y bis zu 505 Kilometer, braucht für den Standardsprint 5,1 Sekunden und kommt auf bis zu 217 km/h. Wer mehr Wert auf Perfomance legt, fährt schneller, aber dafür nicht so weit: 480 Kilometer stehen dann auf dem arg lückenhaften Datenblatt, das Tesla sich entlocken lässt.

Und tiefer in die Tasche greifen muss man obendrein: Aktuell ruft Tesla 58.620 und 65.620 Euro auf – von denen aber erstmal nur 2000 Euro angezahlt werden müssen. Wirklich spannend wird es 2022 mit dem Standardmodell. Das hat zwar nur noch einen Motor und eine WLTP-Reichweite von knapp 400 Kilometern, wird aber nur noch rund 45.000 Euro kosten. Selbst wenn dann ein paar Details aus der langen Optionsliste auf der Strecke bleiben, könnte dieser Tarif – erst recht nach Abzug der Förderung – zum größten Gimmick werden.

Quelle: ntv.de, Benjamin Bessinger, sp-x


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