Deutsche Leichtathleten sind stinksauer

  08 Juni 2020    Gelesen: 924
  Deutsche Leichtathleten sind stinksauer

Der Deutsche Leichtathletik-Verband streicht als Schutzmaßnahme gegen das Corona-Virus die längeren Laufstrecken aus dem Programm seiner "Not-DM". Top-Athleten wie Gesa Felicitas Krause und Gina Lückenkemper sind darüber erbost - und haben akuten Redebedarf.

Gesa Felicitas Krause hatte drängende Fragen. Keine Stunde war das "Stadionverbot" alt, das die deutsche Hindernis-Königin quasi von der Leichtathletik-DM in Braunschweig ausschließt, als Krause lesbar erregt in den Sozialen Medien lostippte. "Ich bin sprachlos. Fußball spielt man mit 22 - und ein Meisterschaftsfinale mit acht bis zwölf Läuferinnen soll nicht möglich sein?", schrieb die WM-Dritte bei Instagram.

Der Plan des DLV, die längeren Laufstrecken aus dem Meisterschaftsprogramm zu streichen, sorgt nicht nur bei Krause für Unverständnis. "Das wird doch so keine richtige deutsche Meisterschaft", schimpfte Sprint-Ass Gina Lückenkemper. Die Vize-Europameisterin über 100 m ist persönlich nicht direkt betroffen, stößt sich aber dennoch an dem am Freitag veröffentlichten Konzept, mit dem der Verband seinen wichtigsten Wettkampf retten will.

Die DM, die an diesem Wochenende Eintracht-Stadion hätte stattfinden sollen, ist nun für den 8. und 9. August neu angesetzt worden - und scheint nur mit rigiden Schutzmaßnahmen gegen Corona-Infektionen durchführbar. Ob und wieviele Zuschauer dabei zugelassen sind, ist noch offen. Das 23-seitige Hygiene- und Durchführungskonzept sieht unter anderem vor, alle Laufwettbewerbe, die nicht auf getrennten Bahnen gestartet und beendet werden, auszusetzen. Bei den Braunschweiger Meisterschaften beträfe dies die 1500 und 5000 Meter - Metier von Topstar Konstanze Klosterhalfen, deren Start bei einer "Late-DM" allerdings ohnehin unwahrscheinlich war - sowie Krauses 3000 Meter Hindernis.

"Ohne Laufen ist es nicht das Gleiche"

Der DLV reagierte mit Verständnis auf "die Kritik von Athleten und Trainern, der nach derzeitigen Stand betroffenen Disziplinen", eine Ausnahmegenehmigung erfordere aber, "sich an den derzeitig geltenden behördlichen Verordnungen über infektionsschützende Maßnahmen zu orientieren. Kontaktfreie Wettbewerbe und ein zwei Meter Sicherheitsabstand sind in Niedersachsen gefordert", sagte Generaldirektor Idriss Gonschinska. "Kein Hindernislauf und keine Mittelstrecken - eine Entscheidung, die ich nicht nachvollziehen und in keinem Sinne befürworten kann", verkündete hingegen Krause und erntete großen Zuspruch.

Vor allem die Solidarität innerhalb der Sportart wurde Thema. "Leichtathletik bedeutet Laufen, Springen, Werfen. Und ohne Laufen ist es nicht das Gleiche", so Krause. Unterstützung erfuhr die deutsche Rekordhalterin über 3000 Meter Hindernis nicht nur von Lückenkemper. Die frühere Serienmeisterin Sabrina Mockenhaupt polterte: "Ist doch echt langsam zum Kotzen, und Fußball darf gespielt werden! Ich fühle gerade echt mit Euch allen!" Ähnlich drastisch äußerte sich der frühere Spitzenathlet Jan Fitschen: "Was für ein Scheiß", kommentierte der 10.000-Meter-Europameister von 2006.

Der Vergleich zum Fußball drängt sich auf: Dort ist Körperkontakt über 90 Minuten die Regel, dennoch läuft der Spielbetrieb wieder. Bei den Laufdistanzen im Stadion - nicht bei Straßenläufen mit mehreren tausend Teilnehmern - ist Körperkontakt die Ausnahme, auch wenn der gemeine Mindestabstand gerade in der Anfangsphase unterschritten wird. Wie groß das Risiko dabei wirklich wäre? Das kann (noch) niemand seriös beurteilen. Gonschinska schloss eine Durchführung der Wettbewerbe im Rahmen der DM zumindest nicht mehr komplett aus. "Die Bewertungen der Corona-Lage gestalten sich dynamisch. Sollte es aufgrund von weiteren Lockerungen und Genehmigungen die Möglichkeit geben, Mittel- und Langstrecke bei der DM durchzuführen, werden wir das tun", sagte er.

Die Zielsetzung des Verbandes ist klar: Nach der Olympia-Verlegung ins kommende Jahr und der EM-Absage will der DLV seinen Spitzenathleten zumindest eine Restperspektive für 2020 bieten. Eine "Not-DM" samt Ausschluss ganzer Sparten könnte dabei aber eher noch den Frustfaktor in einem ohnehin schon weitgehend verlorenen Wettkampfjahr verstärken.

Quelle: ntv.de, Christoph Leuchtenberg & Hannes Nebelung, sid


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