Gut eine Woche vor der entscheidenden Hauptversammlung warnt die Lufthansa davor, dass das milliardenschwere Rettungspaket noch scheitern könnte. Nach den jüngsten Äußerungen ihres größten Einzelaktionärs Heinz Hermann Thiele sorgt sich das Unternehmen darum, dass die Umsetzung des mit der Bundesregierung vereinbarten Rettungspakets noch nicht gesichert sei. Der Konzern halte es für möglich, dass die nötige Zweidrittelmehrheit der Aktionäre bei der Hauptversammlung am 25. Juni verfehlt werde, teilte Lufthansa am Mittwoch mit. "Dies würde bedeuten, dass die Deutsche Lufthansa AG möglicherweise zeitnah zur Hauptversammlung ein insolvenzrechtliches Schutzschirmverfahren beantragen müsste, wenn es dann nicht unverzüglich zu einer anderen Lösung kommt." Der Konzernvorstand richtete daher an alle Aktionäre den eindringlichen Appell, ihr Stimmrecht wahrzunehmen. Anmeldeschluss für die Teilnahme an der Hauptversammlung ist demnach der 20. Juni, 24.00 Uhr.
Hintergrund sind die Äußerungen des Großaktionärs Heinz Hermann Thiele in einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in denen er Kritik an dem staatlichen Rettungspaket geäußert hatte. Thiele fordert eine Nachverhandlung des Rettungspakets. Er nimmt vor allem Anstoß an der vorgesehenen Beteiligung der Bundesregierung im Umfang von 20 Prozent, für die eine Kapitalerhöhung notwendig ist, die wiederum den Wert seines Aktienpakets schmälert. "Die Lufthansa braucht für Sanierung und Gesundung keine Staatsbeteiligung", sagte Thiele in dem Interview.
Thiele hatte seinen Anteil vor der entscheidenden außerordentlichen Hauptversammlung zum Staatseinstieg über die meldepflichtige Schwelle von 15 Prozent aufgestockt. Diese Aufstockung sei „kein Signal, auf der Hauptversammlung gegen irgendetwas zu stimmen", sagte Thiele in dem Interview. Er ergänzte aber, er habe sich zu den Hauptversammlungs-Beschlüssen noch keine abschließende Meinung gebildet.
Der Großaktionär könnte mit 15 Prozent bei einer geringen Präsenz auf der Hauptversammlung eine Zustimmung verhindern. Wie hartnäckig er seine Ziele verfolgt, demonstrierte der Eigentümer des Zulieferers Knorr Bremse vor vier Jahren. Die Münchener verhinderten in einer Bieterschlacht, dass der Autozulieferer ZF Friedrichshafen den schwedischen Bremsenhersteller Haldex übernehmen konnte. “Ich werde aber sicherlich hier nicht blockieren oder ausbremsen. Ich hoffe vielmehr, dass noch im Vorfeld etwas bewirkt und in Bewegung gebracht werden kann", sagte Thiele in dem Interview weiter. Er kritisierte, Lufthansa-Chef Carsten Spohr habe nicht intensiv genug mit dem Staat verhandelt. Der Großaktionär stört sich außerdem daran, dass die jetzige Lösung als alternativlos dargestellt werde und die Aktionäre zu wenig Zeit hätten, sich mit der komplexen Materie zu beschäftigen. Die Aktionäre seien “überfallartig" damit konfrontiert worden, dass sie durch die Kapitalerhöhung für den Staatseinstieg einen Wertverlust ihres Eigentums akzeptieren müssten und der Bund durch den niedrigen Einstiegskurs zum Profiteur werde.
Thiele erklärte, er bezweifle, dass bei einem Scheitern des ausgehandelten Pakets eine Insolvenz mit einem Totalverlust drohe, wie es ihm Spohr in Telefonaten erklärt habe. "Meines Erachtens sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden."
Die Aktionäre sollen am 25. Juni über das Rettungspaket abstimmen. „Der Vorstand geht aktuell davon aus, dass die Präsenz bei der außerordentlichen Hauptversammlung unter 50 Prozent liegen wird“, teilte Lufthansa weiter mit.
Um das Rettungspaket für die Lufthansa war wochenlang gerungen worden. Die EU-Kommission verlangt für ihre wettbewerbsrechtliche Freigabe, dass die Lufthansa Start- und Landerechte an den Drehkreuzen Frankfurt und München abgeben muss. An der Börse ist der Aktienkurs der Lufthansa am Morgen zunächst kräftig gestiegen. Der Kurs legte zeitweise um bis zu sechs Prozent zu, allerdings schmolzen die Zuwächse schnell wieder dahin.
FAZ.net
Tags: