Sie hielten ihn für einen Spion

  24 Februar 2016    Gelesen: 747
Sie hielten ihn für einen Spion
Brutale Folter gehört in Ägypten zum Alltag. Doch die Ermordung eines italienischen Doktoranden hat eine neue Dimension: Die Staatssicherheit könnte dahinter stecken.
Vor vier Wochen verschwand Giulio Regeni auf dem Weg zur Metro in Kairo. Tage später fand sich seine übel zugerichtete Leiche in einem Autobahngraben am Stadtrand. Und obwohl die ägyptische Regierung das bisher kategorisch abstreitet: Es mehren sich die Hinweise, dass der italienische Doktorand von der Staatssicherheit zu Tode gefoltert wurde – wahrscheinlich über mehrere Tage lang.
Der Fall des jungen Wissenschaftlers empört nicht nur Italien, sondern auch viele Ägypter. In Kairo prügelte jetzt eine wütende Menschenmenge einen Polizisten krankenhausreif, zog vor die Einsatzzentrale in der Hauptstadt und skandierte: "Dreckige Regierung, ihr seid Hurensöhne".

Der Beamte hatte einen 24-jährigen Taxifahrer mit einem Kopfschuss getötet, während beide über den Fahrpreis stritten. Zuvor hatten mehr als 10.000 Mediziner gegen die ständigen Übergriffe von Polizisten in Krankenhäusern demonstriert – das größte Aufbegehren der Bevölkerung seit dem Amtsantritt von Präsident Abdel Fattah al-Sissi im Juni 2014.

Doch der Polizeiapparat zeigt sich wenig beeindruckt. Statt die Folterer in den eigenen Reihen zu stoppen, gehen die Sicherheitskräfte erstmals auch gegen das "Nadeem Zentrum zur Behandlung von Opfern von Gewalt und Folter" in Kairo vor, der einzigen Hilfsadresse für Misshandelte im ganzen Land.

Nadeem-Mitbegründerin Aida Seif al-Dawla gilt als mutige Kritikerin von Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat. Seit dem Beginn ihrer Einrichtung 1993 habe es in Ägypten noch nie solche Zustände gegeben wie heute, sagte sie. Die Brutalität der Folter habe extrem zugenommen. In den Gefängnissen gebe es "exzessive sexuelle Gewalt" – gegen Frauen und Männer gleichermaßen.
So foltert Ägyptens Staatssicherheit

Die heutigen Staatsschläger agierten ohne jede Skrupel und Gewissensbisse. Sie würden sich ganz offen ihrer Untaten brüsten – getragen von einem durch Medien und Regime aufgehetzten öffentlichen Klima, erklärte die Medizin-Professorin, die Psychiatrie an der Ain Shams Universität lehrt. "Wir werden euch die Luft zum Atmen nehmen", habe ein Regimemitglied kürzlich zu ihr gesagt, "und das ist, was sie tun".

So ergab die zweite Autopsie in Italien, dass dem zu Tode gefolterten Giulio Regeni die Ohren abgeschnitten, die Haut mit glühenden Zigaretten verbrannt, Finger- und Fußnägel herausgerissen, seine Genitalien mit Stromschlägen traktiert und mehrere Rippen und Finger gebrochen wurden. Regeni starb einen langsamen und qualvollen Tod.

Menschenrechtler sprechen von einem typischen Foltermuster der ägyptischen Staatssicherheit. Innenminister Magdi Abdel-Ghaffar dagegen bestreitet, dass die Sicherheitskräfte verantwortlich sind. Ägyptens Polizei sei bekannt für ihre Integrität und ihre Transparenz, behauptete er. Man werde den Fall Regeni so behandeln, "als ob es um einen Ägypter geht".

Und so versuchten seine Offiziere zunächst, das Ganze als Autounfall zu deklarieren. Wenig später sprachen sie von "einem gewöhnlichen Verbrechen" und präsentierten zwei angeblich Verdächtige. Kein Wunder, dass Rom dem Aufklärungswillen Kairos misstraut und eigene Ermittler an den Nil schickte. Ihnen werden bislang wichtige Erkenntnisse vorenthalten wie die Handydaten des Opfers. Auch bemühte sich die ägyptische Polizei bislang nicht, die Bänder von Überwachungskameras in der Nähe des wahrscheinlichen Entführungsortes sicherzustellen.

So foltert Ägyptens Staatssicherheit

Die heutigen Staatsschläger agierten ohne jede Skrupel und Gewissensbisse. Sie würden sich ganz offen ihrer Untaten brüsten – getragen von einem durch Medien und Regime aufgehetzten öffentlichen Klima, erklärte die Medizin-Professorin, die Psychiatrie an der Ain Shams Universität lehrt. "Wir werden euch die Luft zum Atmen nehmen", habe ein Regimemitglied kürzlich zu ihr gesagt, "und das ist, was sie tun".

So ergab die zweite Autopsie in Italien, dass dem zu Tode gefolterten Giulio Regeni die Ohren abgeschnitten, die Haut mit glühenden Zigaretten verbrannt, Finger- und Fußnägel herausgerissen, seine Genitalien mit Stromschlägen traktiert und mehrere Rippen und Finger gebrochen wurden. Regeni starb einen langsamen und qualvollen Tod.
Menschenrechtler sprechen von einem typischen Foltermuster der ägyptischen Staatssicherheit. Innenminister Magdi Abdel-Ghaffar dagegen bestreitet, dass die Sicherheitskräfte verantwortlich sind. Ägyptens Polizei sei bekannt für ihre Integrität und ihre Transparenz, behauptete er. Man werde den Fall Regeni so behandeln, "als ob es um einen Ägypter geht".

Und so versuchten seine Offiziere zunächst, das Ganze als Autounfall zu deklarieren. Wenig später sprachen sie von "einem gewöhnlichen Verbrechen" und präsentierten zwei angeblich Verdächtige. Kein Wunder, dass Rom dem Aufklärungswillen Kairos misstraut und eigene Ermittler an den Nil schickte. Ihnen werden bislang wichtige Erkenntnisse vorenthalten wie die Handydaten des Opfers. Auch bemühte sich die ägyptische Polizei bislang nicht, die Bänder von Überwachungskameras in der Nähe des wahrscheinlichen Entführungsortes sicherzustellen.

Er schrieb Zeitungsartikel unter Pseudonym

Dagegen zitierten italienische Medien zahlreiche Zeugen, die gesehen haben, wie der 28-Jährige gegen 19 Uhr im Stadtteil Dokki von zwei Zivilpolizisten abgeführt wurde. "Sie haben ihn für einen Spion gehalten", gaben drei Beamte anonym gegenüber der New York Times zu Protokoll. "Wer kommt schon nach Ägypten, um sich mit unabhängigen Gewerkschaften zu beschäftigen?" Regeni studierte an der Cambridge Universität und war in Kairo, um Material für seine Doktorarbeit zu sammeln. Nebenbei schrieb er unter Pseudonym Artikel für die linke Zeitung Il Manifesto.

Das ungehemmte Wüten der Polizei scheint inzwischen auch die ägyptische Militärführung zu beunruhigen, so dass Präsident Sissi jetzt überraschend ein schärferes Gesetz gegen Polizeigewalt ankündigte. Ob das an den Missständen etwas ändert, ist fraglich.

Italien jedenfalls will nicht locker lassen. Die Zahl der italienischen Touristen ist bereits um 90 Prozent zurückgegangen. "Wir wollen die wahren Verantwortlichen finden", erklärte Roms Außenminister Paolo Gentiloni. "Wir dulden keine Halbwahrheiten und keine Ausflüchte."

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