Von Kalous Ignoranz bis Tönnies' Rassismus

  28 Juni 2020    Gelesen: 867
  Von Kalous Ignoranz bis Tönnies

Die 57. Saison der Fußball-Bundesliga ist Geschichte. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie war sie eine der skurrilsten - wenn nicht gar die skurrilste - aller Zeiten. In Erinnerung bleiben wird die Spielzeit auch wegen des bizarren Comebacks von Jürgen Klinsmann und einem völlig entgleisten Schalke-Boss' Clemens Tönnies.

Der Abgang der Saison: Plötzlich verschwand er einfach. Eine Facebook-Nachricht, die wie ein Blitz einschlug, und Jürgen Klinsmann war bei Hertha BSC Geschichte. So überraschend wie er im November als vermeintlicher Retter in großer Abstiegsnot kam, verabschiedete er sich auch 76 Tage später. An diesem 11. Februar ließ der frühere Bundestrainer in Berlin alles stehen und liegen, weil er als Cheftrainer mehr Macht wollte und man ihm eben jene verwehrte. Die Vereinsführung um Manager Michael Preetz, die Klinsmann aus seiner Aufsichtsratstätigkeit für Investor Lars Windhorst in die Trainer-Verantwortung gehoben hatte, wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Wie die gesamte Mannschaft, denn nichts hatte auf den Abgang im Alleingang hingedeutet. Und es sollten auch danach bewegte Wochen werden.

Erst versuchte Klinsmann seine Entscheidung in einem Video zu erklären, er hätte sich ein Machtgefüge wie in der englischen Premier League gewünscht. Danach rechneten Windhorst, Hertha-Präsident Werner Gegenbauer und Preetz auf einer denkwürdigen Pressekonferenz mit dem Ex-Coach ab, die Rückkehr Klinsmanns in den Aufsichtsrat war unmöglich geworden. Zwei Wochen später tauchten die "Klinsmann-Tagebücher" in der "Sport Bild" auf, in denen er den gesamten Hertha-Kader in Bausch und Bogen verdammte.

Der Eklat der Saison: Am 1. August 2019 trat Clemens Tönnies beim "Tag des Handwerks" in Paderborn ans Rednerpult und löste mit einer rassistischen Äußerung den Eklat des Sommers aus. In einer Rede zum Thema "Unternehmertum mit Verantwortung - Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung" empfahl der mächtige Fleischfabrikant und Aufsichtsratschef von Schalke 04 die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika und sagte dabei: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren."

Es folgte ein Aufschrei quer durch Sport, Politik und Gesellschaft. Tönnies entschuldigte sich wenig später öffentlich, dennoch befasste sich der Schalker Ehrenrat mit der Thematik. Das Gremium verzichtete aber auf eine Absetzung des mächtigen Klubchefs, der lediglich sein Amt drei Monate ruhen ließ. Die Fans zeigten ihm demonstrativ die Rote Karte. Noch lauter wurden die Rücktrittsforderungen nach dem Corona-Ausbruch vor einer Woche in seinem Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück. Mehr als 1500 Mitarbeiter infizierten sich mit dem Virus, Nordrhein-Westfalen verhängte einen Lockdown für die Kreise Coesfeld und Warendorf.

Die Dummheit der Saison: Die Handykamera lief überall. Salomon Kalou, der Teamkollegen mit Handschlag begrüßt, Salomon Kalou, der ungefragt in einen Corona-Test reinplatzt. Und alles in Echtzeit bei Facebook gestreamt. Lange war der Ivorer erfolgreich für Hertha BSC gestürmt, bis er am 4. Mai das wohl unglaublichste Video der Saison aufnahm. Die Empörung über den 34-Jährigen hatte nicht lange auf sich warten lassen, die DFL tadelte ihn und von seinem Klub wurde er suspendiert. Mitten in der heißesten Phase der Corona-Krise und unmittelbar vor der Entscheidung über die Fortsetzung der Bundesliga-Spielzeit hatte er die Verhaltensregeln gebrochen, die für alle galten. Die Einsicht kam schnell am nächsten Tag. "Es war ein großer Fehler. Die Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich alle respektiere und niemanden in Schwierigkeiten bringen wollte", sagte Kalou bei Sport1. Auch Hertha-Manager Michael Preetz war ratlos, weil Kalou sich bis dahin als "tadelloser Sportsmann" präsentiert habe. Bis zu diesem Tag, der sein Ende in Berlin vorzeitig einläutete.

Die Wut der Saison: Das Geschehen auf den Rängen stand gleich mehrmals im Fokus. Empörung ernteten vor allem Fadenkreuz-Spruchbänder und Schmähaktionen gegen den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp in diversen Stadien. Zwischen Fans, Klubs und DFB kam es zum heftigen Streit, weil der Verband Kollektivstrafen gegen die Anhänger erst ausgesetzt und dann doch wieder verhängt hatte. Beim Spiel des FC Bayern gegen die TSG gar zu einem Novum. Nachdem Anhänger des Rekordmeisters ein "Hurensohn"-Banner gegen Hopp gezeigt hatten, stand das Spiel zweimal kurz vor dem Abbruch. Als es schließlich doch noch fortgesetzt wurde, schoben sich die Akteure aus Hoffenheim und München in einem Nicht-Angriffspakt den Ball gegenseitig zu - ihre Art des Protestes gegen die Unbelehrbaren im Fanblock. An den folgenden Spieltagen ließen die Fangruppen ihrer Wut freien Lauf - teilweise weiter mit Schmähungen, teilweise mit kreativen Protesten. So wie in Frankfurt, wo ein Plakat aufgehangen wurde auf dem stand: "Adi (Anmerk. d. Red.: Trainer der Eintracht), meld' dich, wenn du 'ne Spielunterbrechung brauchst."

Quelle: ntv.de, tno/sid


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