Fahrspaß im 3er-Power-Paket von Alpina

  29 Juni 2020    Gelesen: 680
  Fahrspaß im 3er-Power-Paket von Alpina

Bei BMW ist der 3er seit Jahrzehnten ein Verkaufsschlager. Bei BMW-Veredler Alpina auch. Nur dass man in Buchloe immer noch eine Schippe draufpackt. Das Ergebnis sind ein D3 S und ein B3, zwei Langstreckensportler, die sich im direkten Vergleich sogar rechnen könnten.

Wenn man Autofans nach dem für sie dynamischsten Kompaktwagen fragt, wird nicht selten der 3er BMW genannt. Nicht zu Unrecht, denn tatsächlich ist die Sportlichkeit eines der Aushängeschilder für diese Baureihe. Kaum ein Jahr ist es her, dass die neueste Generation präsentiert wurde. Auch ntv.de hatte schon das Vergnügen, ein Mitglied aus der 3er-Familie zum Test begrüßen zu dürfen. Namentlich war es der 320d Touring, eine Fahrmaschine, wie der Autor seinerzeit befand, die mit dem nötigen Kleingeld neben seiner uneingeschränkten Alltagstauglichkeit auch richtig sportlich werden kann.

Nun ist die Definition von Sportlichkeit immer auch an alle möglichen Parameter gebunden. In erster Linie natürlich an die Leistung des Triebwerks, und die liegt beim 320d immerhin bei 190 PS und einem beachtlichen maximalen Drehmoment von 400 Newtonmetern. Gemessen an dem, was sich da im Hause Alpina zusammengebraut hat, klingt das allerdings geradezu lächerlich. Hier hat man nämlich jüngst ebenfalls die eigene 3er-Bande vom Stapel gelassen und präsentiert sie mit den Worten überraschend, spannend, klug, jünger, größer, stärker. Natürlich auf Englisch, damit hier der globale Gedanke zum Tragen kommt und man die Botschaft auf dem US-Markt oder in Australien auch versteht.

Erbschaft aus dem M340d

Nun, wie dem auch sei, auf der Seite der Selbstzünder steht bei Alpina der D3 S. Anders als der erwähnte Testwagen schöpft er seine Kraft nicht aus einem schnöden Vierzylinder, sondern schnappt sich kurzerhand den Reihensechszylinder mit Mild-Hybrid-Technik aus dem M340d. Gemessen an diesem Ausgangstreibsatz mag der Leistungssprung ein kleiner sein, mit Blick auf den 320d ist er hingegen gewaltig. Denn hier stehen 355 Pferde gesattelt und startbereit auf der Weide, und wenn die anziehen, werden 730 Newtonmeter an alle vier Räder verteilt. Hinzu kommt die 48-Volt-Technik, die im Boost weitere 11 PS zur Verfügung stellt.

So gesehen steht hier also ein Freizeitsportler neben einem von den besten Coaches austrainierten Profi-Athleten. Natürlich gibt sich der Buchloer Sportfreund auch beim Antritt keine Blöße. In 4,8 Sekunden, also gut 3 Sekunden schneller als der 320d, schiebt er sich an die 100 km/h-Marke, um sich dann mit kernigem Sound bis auf Tempo 273 zu beschleunigen. Um dieses Tempo dann auch auf der Langstrecke durchhalten zu können, haben die Ingenieure am Fuße der Alpen die Hinterachsübersetzung verlängert und die Abtriebswellen verstärkt. Der Sechsender ist zudem mit einem vergrößerten Ladeluftkühler versehen worden. Für den Power-Diesel verspricht Alpina einen Normverbrauch von 7,6 Litern. Allerdings dürfte dieser Traumwert nicht unter Vollgas erfahren worden sein. Auf jeden Fall ist dem 3D S noch eine andere Medaille verliehen worden. In den Papieren ist er nämlich für die momentan schärfste Abgasnorm Euro 6d-ISC-FCM zertifiziert.

Der Vergleich hinkt

Da der hier anfänglich angestrebte Vergleich zwischen Freizeitsportler und Profi ganz gewaltig anfängt zu hinken, soll dem D3 S der zweite bei Alpina aufgebretzelte 3er an die Seite gestellt oder besser noch auf der Rennstrecke am Bilsterberg gefahren werden. Die Rede ist vom Alpina B3, der - so könnte man meinen - dem noch nicht mal in Sicht befindlichen M3 etwas den Wind aus den Segeln nehmen will. Als Basis für den B3 dient der Sechszylinder-Benziner aus dem M340i, ebenfalls mit 48-Volt-Technik. Statt dessen 374 stehen nun 462 PS in den Papieren, womit auch das maximale Drehmoment von 500 auf 700 Newtonmeter steigt. Das beflügelt den B3 so sehr, dass er dem D3 S im Sprint mit 3,8 Sekunden noch mal 1 Sekunde abknöpft.

Und in der Endgeschwindigkeit? Fliegt dieses Kraftpaket mit Tempo 303 über die freien Strecken der Autobahn. Aufgrund der Selbstbeschränkung wird das wohl nicht mal der kommende M3 übertreffen können. Allerdings hat der B3 noch einen ganz entscheidenden Nachteil, der den ökologisch orientierten Autofahrer ohnehin in Schnappatmung versetzt: den Verbrauch. Fröhliche 11,1 Liter stehen hier im Datenblatt, den Wert auf der Uhr lassen wir mal beiseite, der ist bei dauerhaftem Leistungsabruf jenseits von Gut und Böse.

Aber wie sieht es bei den beiden Alpinas nun im direkten Vergleich auf dem Rundkurs aus? Ganz ehrlich? Wenn es keine lange Gerade gibt und die Strecke so wunderbar kurvig ist wie die am Bilsterberg, muss der D3 S nicht befürchten, den Anschluss an den B3 zu verlieren. Klar, wichtig für die schnelle Kurve ist bei beiden Alpina, dass man sie nicht im hauseigen abgestimmten Comfort-Plus-Programm um die Kurve schwimmen lässt, sondern ihnen schon Sport Plus anbietet. Nur dann wird man den performanceorientierten Allradantrieb ausreizen können, wird man die Präzision des 8-Gang-Sportautomatik-Getriebes spüren, wenn es entweder automatisch oder vom Piloten über die Alpina-Knöpfe (nicht so geil) oder die neuen Alpina-Schaltwippen die Gänge hoch und runter zimmert. Hilfreich sind sicher nicht nur auf dem Rundkurs die Vier-Kolben-Festsättel an der Vorderachse, die in üppige 395er Scheiben beißen. Hinten sind es 345er Scheiben und Schwimmsättel.

Der große Spagat

Dennoch ist der Spagat, den Alpina wagt, sehr groß. Zum einen ruft man mit den Leistungsparametern und den technischen Zugaben zur unabdingbaren Sportlichkeit auf, zum anderen will man aber, wie es in den Buchloer Statuten steht, vor allem den komfortorientierten Vielfahrer zufriedenstellen. Das führt am Ende dazu, dass sich D3 S und B3 selbstredend flott über den Rundkurs steuern lassen, aber bei Weitem nicht das Gefühl vermitteln, man müsse mit ihnen jetzt an Privatrennen teilnehmen. Dazu, und das muss ganz ehrlich gesagt werden, ist der Kompromiss zu groß. Wer aber mit den Alpinas im Rahmen der Möglichkeiten auf den Fernstraßen dieses Landes und über die Grenzen hinaus unterwegs ist, der sollte die Freude am Fahren auf Buchloer Niveau erleben.

Doch es stellt sich wie so oft bei derartigen Fahrzeugen die Frage nach dem Sinn, die hier wohl eher eine Frage des Stils ist. Wer die maximale Querbeschleunigung außen vor lässt, aber gerne sehr bequem und schnell unterwegs ist, findet in einem Alpina ein begehrenswertes Understatement. Immer vorausgesetzt, er verzichtet auf die hauseigenen Farbgebungen in Grün und Blau und die typischen Dekorstreifen in Silber oder Gold, was wie eine Renaissance-Bordüre im Bauhaus wirkt. Anders sieht es hier mit den ebenfalls typischen 20-Speichen-Rädern aus, die in 20 Zoll schon wieder richtig was hermachen.

Es sind die kleinen Dinge

Im Innenraum sind und bleiben es die kleinen Dinge, die den Alpina zu einem Alpina machen: Einstiegsleisten, modellspezifische Produktionsnummer, Metallemblem in den Sitzlehnen und das handgenähte Sportlederlenkrad. Natürlich strahlt auch das digitale Instrumentendisplay in den Alpina-Farben. Hier ziehen rote Zeiger auf blauem Grund ihre digitale Bahn. Und auch sonst hat so ein 3er von Alpina schon einiges in der Serienausstattung. Dazu gehören natürlich Sportsitze, HiFi-System und DAB-Radio, BMW-Navi und Infotainmentsystem sowie eine ganze Reihe von Fahrassistenzsystemen.

Billig ist das Paket aus Allgäuer Leistungssteigerung und BMW-Know-How dann aber nicht. Für den B3 im familienfreundlichen Format des Touring hätte man in Buchloe gerne 83.050 Euro. Der D3 S kostet als Limousine mindestens 70.500 Euro und als Kombi 71.900 Euro. Viel Geld? Ja, auf jeden Fall. Bedenkt man aber, dass der oben erwähnte 320d Touring mit vollem BMW-Ornat locker über 60.000 Euro ging, dann relativiert sich der Preis fast schon wieder.

Quelle: ntv.de


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