Die Verbraucherpreise stiegen um 0,3 Prozent zum Vorjahreszeitraum, wie die Europäische Statistikbehörde Eurostat am Dienstag auf Basis einer Schnellschätzung mitteilte. Sie verwies zugleich darauf, dass im Juni “viele Covid-19-Eindämmungsmaßnahmen schrittweise aufgehoben” worden seien. Experten hatten lediglich mit einer Zunahme um 0,1 Prozent gerechnet, nach einem Plus von ebenfalls 0,1 Prozent im Mai.
Der leichte Anstieg im Juni zeugt vor allem von etwas höheren Öl- und Nahrungsmittelpreisen, wie Ökonom Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank anmerkt: “Bereits im kommenden Monat wird die Inflationsrate vermutlich schon wieder im Rückwärtsgang sein. Die deutsche Mehrwertsteuersenkung wird einer Dampfwalze gleich jeglichen Preisauftrieb erdrücken.” Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat jüngst die Effekte der am Mittwoch anstehenden Steuersenkung auf die Inflation hierzulande durchgespielt: Bei vollständiger Weitergabe an die Kunden könne dies “rein rechnerisch” einen Rückgang der Verbraucherpreise um 1,6 Prozent verursachen.
Die Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) gehen davon aus, dass sich die Teuerungsrate dieses Jahr in der Euro-Zone bei 0,3 Prozent einpendeln wird: “Dieser Wert liegt weit unter unserem Ziel von unter, aber nahe zwei Prozent”, räumte der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau im Gespräch mit dem “Handelsblatt” ein und fügte an: “Wenn wir unser Mandat ernst nehmen, brauchen wir eine sehr flexible Geldpolitik.”
Ökonom Ulrich Wortberg von der Helaba hält das Inflationsniveau trotz des überraschenden Anstiegs im Juni für außergewöhnlich niedrig: “Vor diesem Hintergrund steht die EZB nicht unter Druck, ihre ultralockere Geldpolitik zu ändern.”Angesichts einer drohenden Rekord-Rezession in der Euro-Zone hat die EZB ihr “Pandemic Emergency Purchase Programme” zum Aufkauf von Staatsanleihen der Euro-Länder aufgestockt - und zwar von 750 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro. Und EZB-Chefin Christine Lagarde betonte jüngst, die Währungshüter seien gefordert, alle “Hebel in Bewegung zu setzen”, um die Folgen der Pandemie abzufedern.
Bedenklich stimmen dürfte die EZB insbesondere, dass in einigen Staaten der Euro-Zone - darunter Spanien, Irland, Griechenland und Zypern - die Preise zuletzt gegenüber dem Vorjahr fielen. Die EZB will mit ihrer Geldpolitik eine Entwicklung verhindern, in der fallende Preise eine konjunkturelle Abwärtsspirale aus sinkenden Löhnen und nachlassender Konsum- sowie Investitionsbereitschaft auslösen.
Ökonom Christoph Weil von der Commerzbank erwartet, dass wegen der Corona-Krise und der unsicheren Beschäftigungsaussichten die Nachfrage der privaten Haushalte im Euroraum verhalten bleiben wird: “Den Unternehmen dürfte es daher weiterhin schwerfallen, Preiserhöhungen am Markt durchzusetzen.”
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