Der FC Porto ist die große Leidenschaft der Hafenstadt. Als das Spiel gegen Sporting Portugal eine halbe Stunde vor Mitternacht mit einem 2:0 abgepfiffen war, begann eine lange Nacht. Porto stand mal wieder als Meister fest, zum zweiten Mal in den vergangenen drei Jahren. Und zum 22. Mal seit 1982. Dem Jahr, als Jorge Nuno Pinto da Costa das Präsidentenamt übernahm.
Jetzt ist er 82 Jahre alt und bei den Mitgliederwahlen im Juni gerade mit komfortabler Zweidrittelmehrheit für vier weitere Jahre bestätigt worden. Pinto da Costa ist mit Abstand der langlebigste Präsident im internationalen Spitzenfußball. So wie er der erfolgreichste ist: Die Meisterschaft, zwei Spieltage vor Saisonende gesichert, ist der 60. Titel seiner Epoche. Als die Autos der Stars schon nach dem vorentscheidenden Sieg vorige Woche in Tondela von Hunderten Fans am Stadion in die Nacht verabschiedet wurden, blieb Pinto da Costa am längsten in der Menschentraube hängen. Die Anhänger huldigten ihm wie einem Gott.
Zumindest "Papst" wird er von den Fans bisweilen tatsächlich genannt, und am Steuer saß er selbst - nicht selbstverständlich mit 82. Aber das Alter ist bei ihm sowieso relativ zu sehen. Seine aktuelle Freundin, die Bankerin Cláudia Campo, ist halb so alt wie er, und selbst das ist nichts gegen die vorerst letzte seiner vier Ehen: Die Brasilianerin Fernanda Miranda war 50 Jahre jünger.
Portugals Fußball ist korruptionsumwittert
Eine Frau war es allerdings auch, die ihn einst beinahe zur Strecke gebracht hätte: Ex-Freundin Carolina Salgado avancierte nach der Trennung durch Enthüllungen in ihrer Autobiografie zur Kronzeugin im Skandal "Apito Dourado" (Goldene Pfeife). Es ging um Schiedsrichter, die angeblich mit Prostituierten und Traumreisen bestochen wurden. Anders als Stadtrivale Boavista, der zum Zwangsabstieg verurteilt wurde, kamen der FC Porto und Pinto da Costa aber glimpflich davon. Vor Gericht wurde er 2009 freigesprochen; es blieb bei einer vorübergehenden Zweijahres-Suspendierung durch den Ligaverband, die später von einem ordentlichen Gericht annulliert wurde.
Auch sonstige Affären in Portugals notorisch korruptionsumwitterten Fußball hat er stets überstanden. Pinto da Costa zählte zuletzt Anfang März zu den Verdächtigen bei einer großen Razzia wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche bei Spielertransfers ("Operation Abseits"). Insgesamt 77 Durchsuchungen wurden vorgenommen, auch bei den anderen Großklubs des Landes oder der Firma von Agentenkönig Jorge Mendes. Der FC Porto wies alle Anschuldigungen zurück. "Wir arbeiten wie immer mit der Justiz zusammen", hieß es routiniert.
Mitglieder und Fans stellen Pinto da Costas Verdienste über solche Episoden - gegen die privilegierten Hauptstädter aus Lissabon scheint jedes Mittel recht. Ganz wie der Patriarch bei der erneuten Amtseinführung erklärte: "Für Portugal ist ein starker FC Porto sehr wichtig, denn leider ist er einer der wenigen Bollwerke des Nordens gegen den Zentralismus." Der Fußball als Parabel auf die Gesellschaft; alle Vorwürfe lassen sich da schnell als gezielte Diskreditierungsversuche abtun. "Wir werden weiter gegen alles und jeden kämpfen, das war immer unser Weg, deshalb ist der FC Porto von heute so viel anders als der am 25. April 1974", so Pinto da Costa. Die Referenz bezieht sich auf den Tag der Nelkenrevolution gegen Portugals jahrzehntelange Diktatur.
Porto erfolgreicher als Benfica und Sporting zusammen
Der Rächer aus dem Norden ist seine Paraderolle, und sie steht ihm zweifelsohne zu. Als der gelernte Bankkassier und lebenslange Porto-Fan nach früheren Funktionen in der Rollhockey- und Boxabteilung im Jahr 1976 zum Fußballdirektor ernannt wurde, hatte Porto seit 17 Jahren nicht mehr die Liga gewonnen. Die heute toxisch aufgeladene Rivalität mit Benfica existierte noch nicht: Dafür wurde man gar nicht ernst genug genommen, alles drehte sich um Benficas Derby mit Sporting.
Seither hat Porto nicht nur mehr Meisterschaften errungen als die beiden Lissabonner Vereine zusammen und dabei zwischen 1995 und 1999 eine Serie mit fünf Titeln hingelegt, die dem stolzen Benfica immer noch fehlt. Die Vitrinen zieren auch vier europäische Trophäen. An der 1992 gegründeten Champions League haben nur Real Madrid und Barcelona (je 24 Mal) öfter teilgenommen als Porto (23, wie Bayern).
Pinto da Costa wusste sich den Zeiten stets anzupassen. Mit der Globalisierung des Fußballs definierte er Porto als Weiterbildungsklub an der Schnittstelle zwischen Südamerika und Europa. Talente wurden jung gescoutet, kompetent entwickelt und als fertige Stars teuer weitertransferiert.
Begünstigend hinzu kam sein Händchen für Trainer. Im Januar 2002 verpflichtete er einen jungen Mann namens José Mourinho, der 2003 den Uefa-Cup und 2004 die Champions League gewann. Den Coup wiederholte er 2010 mit dem damals 32-jährigen André Villas-Boas: auf Anhieb gab es den Titel in der Europa League. So unglaublich es klingt, der FC Porto hat im laufenden Jahrtausend mehr Europapokale gewonnen als die gesamte Bundesliga.
Auf Mourinho und Villas-Boas folgt Conçeicão
Pinto da Costas vorerst letzter Glücksgriff war Sérgio Conçeicão, den er 2017 aus Nantes zurück in die Heimat holte. Auch wenn Porto international derzeit nicht mehr titelfähig ist - zu schnell wandern die Stars im immer einseitigeren Fußballgeschäft in die großen Ligen ab - und unter angespannter Kassenlage leidet, gelang es dem Coach immerhin, eine kleine Zwischenära von Benfica zu beenden. Conçeicão, bei der EM 2000 dreifacher Torschütze gegen Deutschland, kann jetzt mit seiner Mannschaft im Pokalfinale gegen Benfica am 1. August das erste Double für Porto seit 2011 gewinnen.
Das große Transparent, das die Porto-Ultras zum Spiel gegen Sporting über ihren leeren Fanblock gespannt hatten, zeigte allerdings nicht den Trainer. Und auch keinen Spieler. Abgebildet war ein alter Mann mit Brille, um ihn herum ein Meer von Trophäen. Nuno Pinto da Costa, die ewige Konstante, der Papst von Porto.
spiegel
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