Dieses Rennpferd gewinnt immer

  17 Juli 2020    Gelesen: 801
Dieses Rennpferd gewinnt immer

Für manche Autos muss man einfach mehr bieten: Der SPIEGEL zeigt Fahrzeuge mit berühmten Vorbesitzern und Raritäten, die versteigert werden. Diesmal: der wohl wertvollste aller Ford Mustangs.

Unterm Hammer: Ein Shelby GT350R. Allerdings nicht irgendeiner, sondern der erste. Und zugleich der erste Shelby-Mustang, der ein Rennen gewann.

Warum mitbieten? Ein einzelnes krisseliges Foto veränderte das Image des Ford Mustang für immer. Aus einem biederen Coupe wurde ein waschechter Sportwagen - indem ein Mustang einige Meter flog. Der "fliegende Mustang", ein Schwarz-Weiß-Foto eines weißen Shelby GT350R, der an einer Kuppe auf dem Green Valley Raceway leicht abhob, gilt als eines der ikonischsten Bilder des Wagens.

Genau dieses Exemplar, Seriennummer 5R002, ist darauf zu sehen. Der Sprung wurde zum unverhofften Karrierehöhepunkt dieses Wagens. Denn ursprünglich war er für ein wenig glamouröses Leben vorgesehen: Er diente als Testfahrzeug für die Sportwagenschmiede des ehemaligen Le-Mans-Siegers Carroll Shelby.

Der sollte Mitte der Sechzigerjahre aus dem Ford Mustang - den er zuvor als "Sekretärinnen-Fahrzeug" geschmäht hatte - einen glaubwürdigen Sportwagen machen. Der Weg, die nötige "Street Credibility" zu erreichen, war damals klar: Erfolge auf der Rennstrecke mussten her. "Win on Sunday, sell on Monday" war damals das simple wie erfolgreiche Marketingrezept der US-Autobranche. Dafür brauchte Ex-Rennfahrer Shelby jedoch einen Wagen, der nicht nur an den Rennserien des US-amerikanischen Sportwagenclubs SCCA teilnahm, sondern seine Klasse dort auch dominierte.

1965 entstand so das Exemplar 5R002 als Erstes der R-Modelle des GT350 und mit ihm ein Rezept, das die Firma bis heute anwendet. Dem 4,7 Liter großen Ford-Achtzylinder entlockte Shelby deutlich mehr Leistung, statt der serienmäßigen 275 PS brachte der Wagen Dank eines Holley-Vierfachvergasers und eines verbesserten Ansaugkrümmers brachte der V-Motor in den R-Modellen rund 355 PS auf die Achse. Zum Vergleich: 1965 standen beim 1,5-Liter-Zwölfzylinder, den Honda in der Formel 1 einsetzte und der dort als einer der stärksten Motoren galt, 233 PS im Datenblatt. Gleichzeitig entfernte Shelby beinahe alles aus dem Wagen, was auf der Rennstrecke nicht nötig war. Der Verzicht auf Schnickschnack wie Dämmmaterialien und eine Rückbank sparte jede Menge Gewicht ein, am Ende wogen die R-Modelle nur rund 1150 Kilogramm.

Das Ergebnis war ein unkomfortabler, aber extrem schneller Wagen - der im Falle dieses Exemplars dennoch erstaunlich viele Kilometer abspulte. Shelbys Team rund um den Rennfahrer Ken Miles - der auch bei der Entwicklung des Ford GT40 eine Schlüsselrolle spielte und kürzlich von Christian Bale im Film "Le Mans 66 - Gegen jede Chance" verkörpert wurde - erprobte mit dem Wagen sämtliche Ideen und Bauteile für die übrigen R-Modelle, die an Kunden ausgeliefert wurden.

5R002 war für Shelby jedoch mehr als nur ein Testfahrzeug, er wurde gewissermaßen zur Allzweckwaffe: Beim Automobilverband FIA besorgte er die nötige Zulassung für die Rennserien der SCAA und wurde in den Homologationsunterlagen abgebildet, nur um im Anschluss bei der Pressevorstellung des zivilen GT350 für die Verwendung im Straßenverkehr im Januar 1965 als Demonstrationsfahrzeug herzuhalten.

Am 14. Februar 1965 folgte der erste Renneinsatz des GT350R, den natürlich dieses Exemplar absolvierte. Und Shelbys erster Schuss saß. Ken Miles pilotierte 5R002 auf dem Green Valley Raceway zum Sieg, das Foto des fliegenden Mustang prangte anschließend auf zahlreichen US-Autozeitschriften. Der Mustang, schrieb das "Hot Rod"-Magazin, wurde von einem "kleinen, zahmen Fohlen zu einem stürmischen, schnaubenden Hengst".

Und es blieb nicht beim Sieg im ersten Rennen, der GT350R konnte die SCCA-Wettbewerbe tatsächlich dominieren und gewann fast im Zweiwochen-Takt. Der GT350R verlieh Fords neuem Coupe so das nötige sportliche Image - und legte den Grundstein für die lange Reihe der Shelby-Mustangs.

5R002 verließ die Tuningfirma jedoch wenig später, 1966 verkaufte Shelby den Wagen an einen Ford-Ingenieur für 4000 US-Dollar - heute entspräche das rund 32.000 US-Dollar. Anschließend ging der Wagen durch zahlreiche Hände, gewann dabei aber in den späten Sechzigerjahren unter anderem bei 18 Rennen der SCCA Southwest Division. 2010 wurde 5R002 schließlich Teil einer Sammlung, hörte jedoch nicht auf zu siegen: Nach einer Restaurierung errang er den "Best in Class"-Preis bei den Concours d'Elegance in Amelia Island 2014 und Pebble Beach 2015.

Zuschlag! Das Auktionshaus Mecum versteigert den Shelby GT350R am 17. Juli im Rahmen seiner "Indy 2020"-Auktion, die vom 10. bis zum 18. Juli in der US-Motorsportstadt Indianapolis stattfindet - und erwartet dabei einen Rekordpreis. Die bisher teuersten Exemplare des Ford Mustang waren ein 1967er GT500 Super Snake für 2,2 Millionen US-Dollar sowie der originale "Bullitt"-Mustang, der für 3,74 Millionen US-Dollar versteigert wurde. Mecum erklärte, der GT350R sei mindestens genauso bedeutend und man sei gespannt, welchen Preis er erzielen wird.

spiegel


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